Hessen ergreift Initiative zur Gruppenbesteuerung

StB Prof. Dr. Dieter Endres ist Leiter der Steuerabteilung und Vorstand der PwC AG, Frankfurt/M.

Der Reformbedarf bei der Organschaft ist nicht erst aufgrund der aktuellen Diskussion um die extremen Formalerfordernisse eines EAV offensichtlich. Im Koalitionsvertrag ist deshalb auch die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems anstelle der bisherigen Organschaft vorgesehen. Ende Mai hat nun das Hessische Ministerium der Finanzen die Initiative ergriffen und ein Diskussionspapier über die Ausgestaltung einer neuen Gruppenbesteuerung vorgelegt.Im Rahmen einer Gruppenbesteuerung kann ein innerkonzernlicher Verlustausgleich grundsätzlich in dreierlei Form erfolgen: durch steuerliche Vollkonsolidierung, durch Ergebniszusammenrechnung (wie bei der jetzigen Organschaft) oder durch Sonderregelungen zur Übertragbarkeit von Ergebnissen zwischen Gruppengesellschaften (group relief, group contribution). Während sich die herrschende Literaturmeinung (vgl. z. B. die Diskussionsbeiträge in DB 2010 S. 33 ff.) für eine Fortentwicklung der bisherigen Organschaftskonzeption, allerdings unter Wegfall des EAV-Erfordernisses, ausspricht, überrascht der hessische Vorstoß jetzt mit einem Plädoyer für ein group contribution Modell, wie es beispielsweise in Finnland und Schweden vorzufinden ist.

Das hessische Modell eines konzerninternen Gruppenbeitrags sieht vor, dass Gruppenmitglieder Gewinn bzw. Verluste auf eine andere Gesellschaft der Gruppe durch Leistung von Gruppenbeiträgen übertragen können. Es wird nicht die Gruppe als Einheit besteuert, sondern die einzelnen Unternehmen. Die Gruppenbeiträge stellen bei dem leistenden Gruppenmitglied Betriebsausgaben, beim empfangenden Gruppenmitglied steuerpflichtige Betriebseinnahmen dar. Mit diesem Konzept wird auch dem Erfordernis Rechnung getragen, dass eine steuerliche Verlustübernahme nur bei tatsächlicher Verlusttragung zulässig sein soll. Gruppenbeiträge werden nur zwischen inländischen Gruppengesellschaften bzw. Inlandsbetriebsstätten ausländischer Gesellschaften vorgesehen – eine Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften (ohne Bezug zu inländischen Betriebsstätten) ist nicht vorgesehen.

Der hessische Vorschlag besticht durch Einfachheit, Flexibilität und – in diesen Zeiten besonders wichtig – Finanzierbarkeit. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanzen könnten vermieden werden. Auch die Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht sollte gewährleistet werden können. Über Detailthemen wie die Höhe der erforderlichen Beteiligungsquote (Vorschlag 95%), die zusätzliche Einführung einer horizontalen Ergebniskonsolidierung (ohne inländisches Mutterunternehmen) oder die Behandlung der Gruppenmitglieder bei der Zinsschranke ließe sich diskutieren.

Wie so oft liegt die Crux der Sache aber im dualen System der Unternehmensbesteuerung. Würde man Gruppenbeiträge auch für Zwecke der Gewerbesteuer effektiv werden lassen, ergäben sich Anreize für einfache gewerbesteuerliche (Hebesatz-) Arbitragegewinne. Um dies auszuschließen, bedarf es bei der Gewerbesteuer weiterhin einer Ergebniszusammenrechnung im Gruppenkreis mit nachfolgender Zerlegung. Ein Nebeneinander unterschiedlicher Verlustverrechnungssysteme bei Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer ist aber sicherlich ein nicht zu unterschätzender Pferdefuß des hessischen Vorschlags. So begrüßenswert die Initiative aus Wiesbaden ist, so bedauerlich ist die Erkenntnis, dass die Komplexität des deutschen Steuerrechts selbst wohlgemeinten Vereinfachungen im Wege steht bzw. diese zumindest erschwert. Insoweit kann man nur auf ein kleines steuerpolitisches Wunder hoffen und dem neuen Anlauf für eine Reform der Gemeindefinanzen viel Erfolg wünschen.

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