Auf den ersten Blick scheint alles so sonnenklar: § 3c Abs. 1 EStG bestimmt, dass Ausgaben „soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden“ können. Die Dividendeneinnahmen werden durch das DBA steuerbefreit, daher müsste automatisch auch das Abzugsverbot zum Zuge kommen. Nur so werde die symmetrische Besteuerung von Beteiligungserträgen und Beteiligungsaufwand sichergestellt.
Zahlenbeispiel 1:
Jahresüberschuss Muttergesellschaft | 1.700 € |
./. vereinnahmte DBA-Dividende | 700 € |
Zwischensumme: JÜ Muttergesellschaft Inland | 1000 € |
+ dividendenspezifischer Zinsaufwand* | 200 € |
Körperschaftsteuerliches Einkommen | 1.200 € |
*bei der Ermittlung des JÜ abgezogen
Durch die Nichtabzugsfähigkeit des dividendenspezifischen Zinsaufwands kommt es zur steuerlichen Doppelbelastung i.H.v. 200 €, da der Beteiligungsertrag nicht vollkommen steuerfrei gestellt wird.
Nur durch die volle Abzugsfähigkeit des dividendenspezifischen Zinsaufwands wird eine Einmalbesteuerung erreicht und eine Doppelbesteuerung wirksam vermieden. Dies zeigt sich in Zahlenbeispiel 2 darin, dass das körperschaftsteuerliche Einkommen dem inländischen Jahresüberschuss entspricht. Die DBA-Dividende wird zu 100% steuerfrei gestellt, der dividendenspezifische Zinsaufwand ist vollständig abzugsfähig.
Zahlenbeispiel 2:
Jahresüberschuss Muttergesellschaft | 1.700 € |
./. vereinnahmte DBA-Dividende | 700 € |
Zwischensumme: JÜ Muttergesellschaft Inland | 1000 € |
+ dividendenspezifischer Zinsaufwand (§ 3c EStG greift nicht*) | 0 € |
Körperschaftsteuerliches Einkommen | 1.000 € |
*bei der Ermittlung des JÜ abgezogen
Es lohnt sich also doch ein zweites Mal hinzuschauen: DBA-Schachteldividenden sind bei einer Gesamtbetrachtung von Mutter- und Tochtergesellschaft nämlich gar nicht gänzlich frei von jeder Steuerbelastung! Die Vokabel „Steuerfreiheit“ impliziert die absolute Abstinenz von Steuern. Dies ist bei Dividenden aber – wie gezeigt – gar nicht der Fall. Beteiligungserträge sind alles andere als vollkommen unversteuerte Roherträge. Gewinnausschüttungen werden vielmehr regelmäßig aus bereits versteuerten Gewinnen gespeist. Und eben das ist antonymisch zu steuerfrei.
Attraktivität der Euro-Holding
Und mit dem zweiten Blick wird alles klar: Um sich gar nicht erst der unseligen Diskussion über die Abzugsfähigkeit von Aufwand im Zusammenhang mit Beteiligungen auszusetzen und um die leidige 5-%ige Schachtelstrafe zu vermeiden, bietet sich die Verlagerung von Holdingaktivitäten ins nahegelegene, steuerfreundlichere EU-Ausland an. Das Halten von Beteiligungen über eine Euro-Holding kann dabei sogar auch und gerade für rein deutsch-deutsche Dividendenrouten vorteilhaft sein. Denn auch insoweit wird Besteuerung der fingierten 5% nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben vermieden. Darüber hinaus wird unter bestimmten Voraussetzungen auch die gewerbesteuerliche Schachtelstrafe verhindert und Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Beteiligung können mit (anderen) steuerpflichtigen Einnahmen verrechnet werden.
Für den Holdingstandort Deutschland und damit auch für den Koalitionsvertrag ist dies eine mittlere Katastrophe. So sehr es aus steuerplanerischer Sicht zu begrüßen ist, dass die (drohende) Durchbrechung systemtragender steuerlicher Prinzipien, wie des Nettoprinzips, sich durch die Umleitung der Dividenden über ausländische Zwischenholdings prinzipiell vermeiden lässt, so fragwürdig ist dieses Ergebnis für Deutschland als Steuerstandort. Kurz: Wir brauchen ein Bekenntnis zu einem fiskalisch flankierten Nettoprinzip und eng damit verbunden einen Klimawandel im Umgang zwischen Fiskus und Unternehmen.