„Sonderausgaben sind …Steuerberatungskosten“ hieß es ganz lapidar in § 10 Abs. 1 Nr. 6 der bis 2005 geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes. 2006 hat der Gesetzgeber diese Vorschrift abgeschafft. Nicht etwa, weil er der Auffassung war, die Steuergesetze seien nun so einfach geworden, dass sie ohne Hilfe von Steuerberatern aus sich heraus verständlich wären, sondern weil er einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nachkommen musste, der beanstandet hatte, dass beschränkt Steuerpflichtige nicht in den Genuss dieses Abzugstatbestands kamen. Der Gesetzgeber hat die Abzugsmöglichkeit daraufhin ganz beseitigt, statt sie auch auf Steuerausländer auszudehnen.
Der Vorsitzende Richter des 1. Senats des BFH Dietmar Gosch hat diese negativen Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf Steuerinländer „verbösernde Gleichheit“ genannt, ein Begriff, der das Ausweichverhalten des nationalen Gesetzgebers gegenüber den Grundfreiheiten beschreibt, die eine Schlechterstellung grenzüberschreitender Sachverhalte untersagen. Der Gesetzgeber macht in solchen Fällen kurzen Prozess: Um die Rechtangleichung zugunsten der Steuerausländer zu vermeiden, ändert er das Recht zum Nachteil seiner inländischen Steuerbürger. So geschehen nicht nur im Fall der Steuerberatungskosten, sondern auch bei der Gesellschafterfremdfinanzierung, Hinzurechnung von Leasingraten usw.
Der sachliche Grund für den 1965 eingeführten Abzug der Steuerberatungskosten als Sonderausgaben lag in den Abgrenzungsschwierigkeiten dieses Aufwands zu den Werbungskosten/ Betriebsausgaben. Zusätzlich wurde die Notwendigkeit des Abzugs mit der Kompliziertheit des damaligen Steuerrechts begründet, die die Inanspruchnahme professioneller Beratung erforderlich mache. Beide Gründe sind nicht entfallen, im Gegenteil: der Grad der Kompliziertheit hat noch weiter zugenommen. Kein geringerer als Klaus Tipke hat deshalb die Auffassung vertreten, der Abzug sei verfassungsrechtlich zwingend. Die Notwendigkeit, steuerlichen Rat einzuholen ergebe sich aus dem Verfassungsauftrag zu gesetz- und gleichmäßiger Besteuerung. Außerdem sei der Laie gar nicht in der Lage eine gesetzmäßige Steuererklärung abzugeben (Tipke, Betriebsberater 2009, S. 636).
Doch die von vielen gehegte Hoffnung, die Rechtsprechung werde den fehlenden Abzug verfassungsrechtlich beanstanden, wurde durch das BFH-Urteil vom 14. 4. 2010 (X R 10/08) enttäuscht. Nach Auffassung des BFH gebietet das subjektive Nettoprinzip nicht, den Abzug von Steuerberatungskosten zuzulassen. Steuerberatungskosten seien nicht Teil des zu verschonenden Existenzminimums, die aus versteuertem Einkommen zu bezahlende Beratung sei für den Steuerpflichtigen zumutbar. Auch das Gebot der Folgerichtigkeit sei nicht verletzt, da auch Personensteuern (§ 12 Nr. 3 EStG) nicht abziehbar seien. (Wobei der Erst-Recht-Schluß von den Steuern auf die Beratungskosten alles andere als überzeugend ist, da Beratungskosten nicht mit dem staatlichen Anteil am erwirtschafteten Einkommen vergleichbar sind.)
Das Urteil überrascht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht. Auch einem Verfahren vor dem BVerfG dürfte kein Erfolg beschieden sein. Dennoch bleibt aus steuerpolitischer Sicht das Anliegen der Wiedereinführung des steuerlichen Abzugs dringend. Der Staat der dem Bürger ein kompliziertes Steuerrecht zumutet, ihm viele und manchmal schwer überschaubare Pflichten auferlegt und deren Verletzung strafrechtlich ahndet, sollte schon aus Gründen der Fairness die Kosten der Beratung als leistungsfähigkeitsmindernd akzeptieren. Die reibungslose Kooperation zwischen Finanzbehörden und Beraterschaft dient letztlich auch der effizienten Staatsfinanzierung.
Die Koalition hat dies – jedenfalls noch in ihrer hoffnungsgeprägten Anfangszeit – erkannt. Sie hat sich im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vom 26. 10. 2009 darauf verständigt, die Abzugsfähigkeit der Steuerberatungskosten wieder einzuführen. Geschehen ist in dieser Richtung bislang nichts, auch im Jahressteuergesetz 2010 ist eine entsprechende Regelung nicht vorgesehen. Dabei wäre dieser Beitrag zur Steuervereinfachung und Steuerkultur so einfach. Es müsste nur entsprechend der bis 2005 geltenden Fassung des EStG in § 10 künftig heißen: „Sonderausgaben sind… Steuerberatungskosten.“