Steuerfalle „Wirtschaftlicher Arbeitgeber“

WP StB Ulrike Hasbargen, Partnerin bei Ernst & Young und Leiterin Human Capital Deutschland, Schweiz und Österreich

Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft führt dazu, dass zahlreiche ausländische Fach- und Führungskräfte in Deutschland tätig werden. In diesem Zusammenhang stellt sich für den Arbeitnehmer die Frage, in welchem Land seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit besteuert werden. Deutsche Unternehmen werden dabei von der Finanzverwaltung vielfach als wirtschaftlicher Arbeitgeber eingestuft, auch wenn das Gehalt weiterhin von dem ausländischen rechtlichen Arbeitgeber gezahlt und getragen wird. Dies führt dazu, dass lohnsteuerliche Pflichten früher als erwartet auf sie zukommen. Auch andere Staaten kennen das Institut des wirtschaftlichen Arbeitgebers und so besteht umgekehrt das Risiko, dass deutsche Mitarbeiter, die im Ausland tätig sind, dort auch steuerpflichtig werden, und zwar auch dann, wenn sie im Ausland weniger als 183 Tage tätig sind.

Wird ein Mitarbeiter in einem Land tätig, so wird er dort nach dem nationalen Steuerrecht des Tätigkeitsstaates auch steuerpflichtig. Besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen, so wie in den meisten Fällen, denn Deutschland hat sehr viele davon abgeschlossen, wird das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates eingeschränkt. Diese Doppelbesteuerungsabkommen orientieren sich im Wesentlichen an dem OECD-Musterabkommen. Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA hat zwar grundsätzlich der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, aber gemäß Art. 15 Abs. 2 OECD-MA bleibt es bei einer Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, wenn sich der Arbeitnehmer insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Kalenderjahres oder zwölfmonatigen Zeitraumes im Tätigkeitsstaat aufhält und die Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist und die Vergütungen auch nicht von einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat getragen werden.

Für die Frage der Zuweisung des Besteuerungsrechts ist es deshalb von besonderer Bedeutung, wer als Arbeitgeber in diesem Sinne anzusehen ist. Das OECD-Musterabkommen enthält hierzu keine eigenständige Definition. Vielmehr ist der Arbeitgeberbegriff in erster Linie nach Sinn und Zweck und im Abkommenszusammenhang und in zweiter Linie nach innerstaatlichem Steuerrecht auszulegen.

Zwischen den einzelnen Ländern, der deutschen Verwaltungsauffassung und in der Literatur besteht kein einheitliches Verständnis, wer als Arbeitgeber anzusehen ist. Dies kann zu unterschiedlichen Interpretationen zwischen den beteiligten Ländern führen, die unter Umständen auch eine Doppelbesteuerung zur Folge haben. Diese zwischen den Ländern nicht einheitliche Sichtweise nimmt die OECD gegenwärtig zum Anlass, ihre Musterkommentierung zu überarbeiten. Dabei respektiert die OECD die unterschiedlichen Arbeitgeberinterpretationen. Diese reichen vom formalen rechtlichen Arbeitgeberbegriff entsprechend Arbeitsrecht bis hin zum angenommenen Arbeitsverhältnis basierend auf einer rein wirtschaftlichen Analyse.

Um Konflikte zu vermeiden, spricht sich die OECD dafür aus, dass nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine Umdeutung des rechtlichen Arbeitsverhältnisses erfolgen kann, z. B. wenn der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat für das dortige Unternehmen wesentliche Aufgaben erbringt, für die das Unternehmen die Verantwortung übernimmt und deren Risiken zu tragen es bereit ist; sog. integration test. Besteht danach der Anschein, dass das Unternehmen im Tätigkeitsstaat als Arbeitgeber einzustufen ist, sind acht weitere Aspekte in die Betrachtung einzubeziehen, wie etwa wer weisungsbefugt ist, wer für die Tätigkeit verantwortlich ist, wer die Kosten der Entsendung trägt, bzw. wer die Arbeits- und Urlaubszeiten festlegt.

Nach der Auffassung des BFH ist ein wirtschaftliches Arbeitsverhältnis danach zu beurteilen, innerhalb welcher Arbeitsorganisation der Arbeitnehmer tätig wird, welche Zeit- und Tätigkeitsvorgaben der Arbeitnehmer tatsächlich Folge leistet, so dass er als weisungsgebunden in die Organisation des Arbeitgebers eingegliedert betrachtet werden kann, wem der wirtschaftliche Erfolg der Tätigkeit des Arbeitnehmers zugute kommt bzw. wer das Risiko der Tätigkeit des Arbeitnehmers trägt. Von ganz besonderer Bedeutung ist aus deutscher Sicht schließlich, wer tatsächlich den Aufwand für den Arbeitslohn nach den allgemeinen Regelungen über die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen (sog. Verrechnungspreisgrundsätze) tatsächlich trägt bzw. nach den einschlägigen Fremdvergleichsgrundsätzen hätte tragen müssen.

Laut BMF-Schreiben vom 9. 11. 2001 (BStBl. I 2001 S. 796) besteht die grundsätzliche – aber widerlegbare – Vermutung, dass bei einer Entsendung von mehr als drei Monaten regelmäßig von einer Integration in das aufnehmende Unternehmen auszugehen ist. Qualifiziert demnach das aufnehmende Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber, liegt das Besteuerungsrecht vom ersten Tag der Beschäftigung im Tätigkeitsstaat.

Bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen können deutsche Unternehmen, die als wirtschaftliche Arbeitgeber qualifizieren, gemäß § 38 Abs. 1 EStG bereits ab dem ersten Tag verpflichtet sein, Lohnsteuer auf die Arbeitseinkünfte des ausländischen Arbeitnehmers einzubehalten; und zwar unabhängig davon, welches Unternehmen dem ausländischen Arbeitnehmer das Gehalt ausbezahlt.

Die Lohnsteuerabzugsverpflichtung besteht zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mitarbeiter die Vergütung ausbezahlt bekommt und zwar auch dann, wenn das ausländische Unternehmen die Vergütung auszahlt. Nicht maßgeblich ist, wann dem deutschen Unternehmen die Kosten der Entsendung durch das ausländische Unternehmen belastet werden. Dieser Umstand erfordert eine genaue Abstimmung zwischen den beteiligten Unternehmen. Schließlich droht das Institut des wirtschaftlichen Arbeitgebers für deutsche Unternehmen zu einer Steuerfalle zu werden, wenn die Finanzverwaltung erst im Nachhinein im Rahmen einer Betriebsprüfung Sachverhalte aufdeckt, in denen das deutsche Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber qualifiziert.

Dies kann beträchtliche finanzielle Folgen nach sich ziehen, weil das deutsche Unternehmen für die in der Vergangenheit nicht einbehaltene Lohnsteuer haftet. Immer mehr Unternehmen gehen deshalb dazu über, auch zu dokumentieren warum, oder warum nicht sie als wirtschaftliche Arbeitgeber angesehen werden könnten. In der Praxis wird diese Dokumentation häufig dadurch erschwert, dass Dienstreisen innerhalb eines Konzerns im Gegensatz zu längerfristigen Auslandsentsendungen häufig nicht durch zentrale Einheiten koordiniert werden.

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