Arbeitnehmerentsendungen – Gleichbehandlung von Arbeitgeberbeiträgen zur betrieblichen Altersversorgung

RA StB Dr. Rosemarie Portner LL.M., Düsseldorf

Auch in Zeiten effizienter Kommunikationsmittel kommt der internationalen Mobilität von Arbeitnehmern durch Entsendungen innerhalb des Konzerns große Bedeutung zu. Bei kurz- und mittelfristigen Entsendungen bleibt häufig das Arbeitsverhältnis im Entsendestaat bestehen und der Arbeitnehmer  Mitglied des Sozialversicherungssystems des entsendenden Staats;  das entsendende Unternehmen führt die betriebliche Altersversorgung während der Entsendung fort, das aufnehmende Unternehmen gewährt keine betriebliche Altersversorgung. Umso mehr erstaunt, dass bislang streitig ist, ob Arbeitnehmer im Gaststaat für die Beitragszahlungen an eine Altersversorgungseinrichtung („Einrichtung“) mit Sitz im Ausland dieselben steuerlichen Erleichterungen beanspruchen können, die gewährt werden, wenn Beiträge an eine Einrichtung (Pensionskasse, Pensionsfonds oder Versicherung im Rahmen einer Direktversicherung) mit Sitz im Inland geleistet werden.

Die Finanzbehörden verlangen unter Bezug auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen („BMF“) auch in Entsendungsfällen für die Gewährung des Steuerfreibetrags nach § 3 Nr. 63 EStG,  dass die Einrichtung mit Sitz im Ausland  durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BAFin“) befugt ist, im Inland ihre Geschäftstätigkeit auszuüben.

 Der Wortlaut des § 3 Nr. 63 EStG ist eindeutig. Danach bleiben auch Beiträge an eine Einrichtung mit Sitz im Ausland unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG und in dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Umfang steuerfrei. Der Wortlaut des § 3 Nr. 63 EStG setzt nicht voraus, dass eine Einrichtung mit Sitz Ausland befugt ist, im Inland ihre Geschäftstätigkeit auszuüben. Insofern unterscheidet sich § 3 Nr. 63 EStG von der Vorschrift, die den Sonderausgabenabzug für Beträge zur privaten Altersvorsorge regelt (§ 10 EStG). Bis zum Veranlagungszeitraum 1992 wurde der Sonderausgabenabzug nur für Beträge an Einrichtungen mit Sitz im Inland gewährt. Nach der Änderung dieser Vorschrift wird für den Abzug  vorausgesetzt, dass die Einrichtung mit Sitz im Ausland zur Geschäftstätigkeit im Inland befugt ist.

Grundsätzlich muss der klare Wortlaut einer Vorschrift maßgebend bleiben. Führt jedoch die wortgetreue Auslegung – in Ausnahmefällen – zu einem sinnwidrigen Ergebnis, ist der wirkliche Sinn des Gesetzes zu ermitteln und diesem gegenüber dem Wortlaut der Vorrang einzuräumen. Die  wortlauterweiternde Auslegung des § 3 Nr. 63 EStG durch die Finanzbehörden, die diese Vorschrift in Anlehnung an des Wortlaut des § 10 EStG auslegen, ist in Fällen der Arbeitnehmerentsendung ungerechtfertigt. Das Versicherungsaufsichtsgesetz („VAG“) setzt bei Einrichtungen mit Sitz in der EU/dem EWR für die Ausübung der Geschäftstätigkeit im Inland eine formale Anmeldung  bei der BAFin  und für Einrichtungen im Sitz in Drittstaaten eine Erlaubnis der BAFin voraus. Die Geschäftstätigkeit wird regelmäßig über eine Niederlassung ausgeübt, über die sich die Einrichtung mit Sitz im Ausland am inländischen Markt durch den Abschluss von Verträgen betätigt. Aus der bloßen Fortsetzung der betrieblichen Altersversorgung bei der Einrichtung im Entsendestaat lässt sich jedoch keine Geschäftstätigkeit dieser Einrichtung im Gaststaat herleiten. Das entsendende Unternehmen leistet  weiterhin Beiträge und belastet die Kosten an das aufnehmende Unternehmen, wenn der Arbeitnehmer in dessen Interesse entsandt ist. Hierdurch wird die Einrichtung mit Sitz im Ausland im Inland nicht geschäftlich tätig.  

Eine wortlauterweiterende Auslegung des § 3 Nr. 63 EStG lässt sich ebenso wenig unter Rückgriff auf den Schutz inländischer Arbeitnehmer und Arbeitgeber rechtfertigen, weil  Einrichtungen mit Sitz im Ausland möglicherweise weniger strengen aufsichtsrechtlichen Regularien unterliegen als sie im VAG vorgesehen sind. Diese Begründung hatte der Reichsfinanzhof herangezogen, um den Sonderausgabenabzug  für Beiträge an ausländische Versicherer selbst dann zu verneinen, wenn aufsichtsrechtlich eine Befugnis (mangels Ausübung einer Geschäftstätigkeit im Inland) nicht vorgesehen ist. In Entsendungsfällen hat der Arbeitnehmer jedoch bereits vor Aufnahme seiner Tätigkeit im Inland an dem ausländischen Altersversorgungsplan teilgenommen, der während der Zeit der Entsendung lediglich fortgeführt wird. Hier entfällt der Schutzzweck, dem im Bereich der EU/des EWR ohnedies mit der Erlaubnis im Herkunftsstaat der Einrichtung und der nur formalen Anmeldung bei der BAFin Rechnung getragen wird.    

Bleibt zu hoffen, dass das BMF informelle Äußerungen umsetzt und die Ausführungen im BMF-Schreiben in dem Sinn klarstellt, dass  in Entsendungsfällen der Freibetrag stets zu gewähren ist, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG – im Kern – erfüllt sind. Dabei gilt es insbesondere die betriebliche Altersversorgung von Sparplänen abzugrenzen. Im Einzelfall empfiehlt sich eine Abstimmung mit den Finanzbehörden im Rahmen einer so genannten Lohnsteueranrufungsauskunft.

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