Wie ist mit Sachverhalten umzugehen, bei denen die Anschaffung von „steuerverstricktem“ Grundvermögen in hohem Umfang mit Fremdkapital finanziert wurde, dieses Fremdkapital aber (vermeintlich?) nicht „steuerverstrickt“ ist? Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn das Vermögen erheblich an Wert verloren hat und in der Folge der Darlehensgläubiger bereit / gezwungen ist, auf jedenfalls einen Teil seiner Forderungen gegen den Schuldner zu verzichten, um am Ende nicht ganz leer dazustehen.
Solche Konstellationen kann es z. B. bei einem fremdfinanzierten Grundstückserwerb durch eine Privatperson geben, welche die Immobile mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angeschafft hat. Das Grundstück ist zunächst einmal steuerverstrickt, laufende Einkünfte daraus steuerbar und steuerpflichtig; für Veräußerungsgewinne innerhalb von 10 Jahren nach Anschaffung gilt das Gleiche. Das Darlehen mag indes „Privatvermögen“, also nicht „steuerverstrickt“ sein.
Insbesondere dann, wenn dem Darlehensgläubiger allein das Grundstück als Sicherheit dient (non-recourse), er also auf eventuell weiteres Vermögen des Privatinvestors nicht zurückgreifen kann, dieser aber auf sein Darlehen ganz oder teilweise verzichtet, stellt sich die Frage, ob dem Investor seine ursprünglichen Anschaffungskosten als relevante Basis für (bisherige) Abschreibungen und etwaige Veräußerungsgewinne verbleiben, ohne das „wirtschaftliche Vorteile“ aus der, nach Verzicht durch den Darlehensgläubiger, nur noch niedrigen Darlehensschuld „gegengerechnet“ werden.
Zu vergleichbaren Situationen kann es kommen, wenn der Investor im Ausland ansässig ist, z. B. eine dort ansässige Kapitalgesellschaft als Schuldner und Käufer einer inländischen fremdvermieteten Immobilie.
Interessant hätte in diesem Zusammenhang der Ausgang eines wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revisionsverfahrens sein können. In einem, wenn auch sehr besonders gelagerten Fall, vertrat das Finanzamt und auch das FG Hessen (Urteil vom 3. 5. 2010, Az. 3 K 299/10) für einen unter die erste Gruppe fallenden Sachverhalt (Privatperson mit fremdfinanzierter Immobilie) folgende Auffassung (Leitsätze):
„Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns aus einem Grundstücksgeschäft i. S. des in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind die „wirtschaftlichen Vorteile“ einzubeziehen, die der Steuerpflichtige im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung erhalten hat. Dazu zählen auch solche Güter, die dem Steuerpflichtigen von einem Dritten zugewendet worden sind.
Der Spekulationsgewinn ist nach § 11 Abs. 1 EStG im Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses zu versteuern. Dabei sind in diesem Jahr abweichend von dem Zuflussprinzip des § 11 EStG auch die sonstigen Vorteile zu berücksichtigen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung stehen, aber in einem andern Kalenderjahr zugeflossen sind.“
Nach einer Pressemitteilung des FG Hessen ist das Urteil mittlerweile rechtskräftig.
Mit den „wirtschaftlichen Vorteilen“ meint das Finanzgericht den Betrag, auf den der Darlehensgeber verzichtet hat, und zwar zu einem deutlich vor Veräußerung des Grundstücks liegenden Zeitpunkt (zwei Jahre vor Verkauf). Gleichwohl, ungeachtet der Besteuerung nach „Zuflussgesichtspunkten“, beurteilte das Gericht den Darlehensverzichtsbetrag als (zusätzlichen) Veräußerungserlösbestandteil im Jahr des Grundstücksverkaufs.
Der Fall lag deshalb „sehr besonders“, weil es nach überwiegend fremdfinanzierter Anschaffung der Immobilie zu einer Vermietung niemals gekommen ist, der Steuerpflichtige das Darlehen nach Verzichtserklärung durch den Gläubiger zwei Jahre später an eine mit dem Darlehensgeber nahestehende Person (eine Tochtergesellschaft) zu einem „irrelevanten“ Preis übertragen musste (sog. „Schrottimmobilien“), gleichwohl erhebliche Abschreibungen mit seinen anderen Einkünften verrechnet hatte, ohne wirtschaftlich tatsächlich Anschaffungskosten in der entsprechenden Höhe getragen zu haben.
Zum gleichen Ergebnis gelangt man, jedenfalls für den Urteilssachverhalt, wenn der Darlehensverzichtsbetrag nicht als (zusätzlicher) Veräußerungserlös, sondern als (rückwirkende) Minderung der ursprünglichen Anschaffungskosten behandelt wird. Mit anderen Worten: ohne reale Anschaffungskosten(schuld) keine Abschreibungen bzw. Veräußerungsverluste.
Ob und inwieweit die Überlegungen in diesem Urteil des FG Hessen auf Sachverhalte der zweiten Fallgruppe ausstrahlen ist völlig offen, ausgeschlossen werden kann eine solche Ausstrahlung jedenfalls dann nicht, wenn – wie im Urteilsfall – Übertragungen von Grundstücken an nahestehende bzw. wirtschaftlich mit ihm Darlehensgeber verflochtene Unternehmen auf Druck des Darlehensgebers erfolgen und damit ein faktischer Konnex zwischen Veräußerung und Schuldenerlass begründet wird.