Das BMF hat am 31. 8. 2010 den seit langem erwarteten Entwurf des Schreibens zur E-Bilanz nebst Taxonomien und Erläuterungen vorgelegt. Mit ca. 300 Seiten ist der Umfang der tabellarischen Anlagen ebenso beeindruckend wie das Tempo, das das BMF für die Umsetzung durch die Unternehmen vorgibt. Ohne jede rechtsform- oder größenabhängige Ausnahme sind E-Bilanz und E-GuV erstmals für Wirtschaftsjahre einzureichen, die nach dem 31. 12. 2010, d. h. in knapp vier Monaten beginnen.
Zwar wird die konkrete Datenfernübertragung der XBRL-Datensätze in der Regel erst nach Ablauf der 2011 beginnenden Wirtschaftsjahre, also frühestens im Jahr 2012, stattfinden. Die technischen und inhaltlichen Vorbereitungen werden aber bereits mit Beginn des kommenden Jahres abgeschlossen sein müssen. Die im Entwurf des BMF-Schreibens zunächst als Hoffnungsschimmer erscheinende Textziffer 25 erweist sich bei näherem Hinsehen als nur in wenigen Fällen hilfreich. Hiernach soll es nicht zu beanstanden sein, wenn eine Übertragung von E-Bilanz/E-GuV im Kalenderjahr 2011 noch nicht erfolgt. Da sowohl bei kalenderjahrgleichem als auch bei abweichendem, nach dem 31. 12. 2010 beginnendem Wirtschaftsjahr der Abschluss für 2011 ohnehin frühestens im Jahr 2012 gefertigt wird, bleibt die Entlastung auf Ausnahmefälle beschränkt (Bsp. Rumpfwirtschaftsjahr). Eine Verschiebung der verpflichtenden elektronischen Übermittlung um drei Jahre ist lediglich für den Berichtsbestandteil „Kapitalkontenentwicklung für Personenhandelsgesellschaften und andere Mitunternehmerschaften“ vorgesehen.
Für Einzelunternehmen, Körperschaften und Personengesellschaften werden inhaltlich abweichende Taxonomien zur Diskussion gestellt, die sich zwar grundsätzlich an den Gliederungsvorgaben der §§ 266, 275 HGB orientieren, durch umfangreiche Differenzierungen und Ergänzungen aber deutlich über die handelsrechtlichen Vorgaben hinausgehen. Die Taxonomie für Einzelunternehmen enthält insgesamt ca. 800 Felder, davon entfallen ca. 400 Felder auf die Bilanz, 300 auf die GuV, mehr als 30 Positionen betreffen die Ergebnisverwendung. Die Taxonomie für Personengesellschaften ist mit mehr als 1.000 Feldern (ca. 550 Bilanz / 300 GuV / 40 Ergebnisverwendung / 80 Kapitalkontenentwicklung) noch deutlich umfangreicher.
Eine beachtliche Anzahl dieser Felder ist verpflichtend zu belegen. Sie sind als „Mussfeld“, „Summenmussfeld“ oder „rechnerisch notwendig, falls vorhanden“ gekennzeichnet und machen in Summe den durch die Verwaltung angestrebten Mindestumfang der Taxonomie aus. Auch dieser Mindestumfang geht ganz klar über die Gliederungsvorgaben der §§ 266, 275 HGB hinaus. Exemplarisch deutlich wird dies an der Position „Sonstige betriebliche Aufwendungen“, für die bei Körperschaften 30 Unterpositionen separat auszuweisen sind, die ihrerseits in weitere 20 Unterpositionen zu zerlegen bzw. zu erläutern sind. Von diesen in Summe 50 Feldern dieser Aufwandsposition sind 46 verpflichtend zu belegen. Ebenso wird bspw. die Position „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ in bis zu drei weitere Gliederungsebenen mit Mussfeldern auf der letzten Ebene zerlegt. Kontennachweise werden darüber hinaus nicht verpflichtend eingefordert, sind aber „erwünscht“.
Im BMF-Schreiben wird mehrfach explizit betont, dass die Übermittlung aller als „Mussfeld“ gekennzeichneten Felder zwingend ist. Dennoch öffnet das BMF gleich zwei große Türen für bürokratische Entlastungen. Tz. 12 des Schreibens ist zu entnehmen: „sofern sich ein Mussfeld nicht mit Werten füllen lässt, z. B. weil aufgrund der Rechtsform des Unternehmens kein dem Mussfeld entsprechendes Buchungskonto geführt wird, ist die entsprechende Position „leer“ (technisch: NIL-Wert) zu übermitteln“. Ergänzt wird diese Bestimmung durch Tz. 16: kann „eine durch Mussfelder vorgegebene Differenzierung für einen bestimmten Sachverhalt nicht aus der Buchhaltung abgeleitet“ werden, können Auffangpositionen genutzt werden. Hier werden die Bemühungen des BMF deutlich, von der Praxis befürchtete und bereits im Vorfeld kritisierte Eingriffe in das Buchungsverhalten der Steuerpflichtigen zumindest vorerst zu vermeiden.
Der Entwurf des BMF-Schreibens wird zu erheblichen Diskussionen führen. Den Unternehmen würde durch Nutzung von NIL-Werten und nicht differenzierenden, in der Taxonomie ggf. auszubauenden Auffangpositionen ermöglicht, das Projekt E-Bilanz tatsächlich auf die Vorgabe des Gesetzgebers „Elektronik statt Papier“ zu beschränken. Den Erkenntnisgewinn der Finanzverwaltung und die Möglichkeiten zum Einsatz automatisierter Prüfverfahren reduziert dies gleichwohl deutlich. Es bleibt daher abzuwarten, wie weit diese Türen offen stehen.