Vereinbarung der Verlustübernahmeverpflichtung bei einer Organschaft mit einer GmbH

WP StB Dr. Martin Lenz ist Partner und Leiter National Tax bei KPMG AG, Frankfurt/M.

Die ertragsteuerliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft setzt gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG die Vereinbarung einer Verlustübernahmeverpflichtung entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG voraus. Eine wirksame Vereinbarung kann nach Auffassung der Finanzverwaltung entweder durch einen allgemeinen Verweis auf die Geltung des § 302 AktG oder durch Wiedergabe des Wortlauts dieser Vorschrift geschlossen werden.

In dem Steuerboard-Beitrag vom 12. 7. 2010 hatte Prinz bereits die formalen Anerkennungshürden für eine ertragsteuerliche Organschaft vorgestellt. Im Folgenden sollen aktuelle Aspekte, insbesondere im Hinblick auf einen zwischenzeitlich ergangenen Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung (AdV) des BFH, aufgezeigt werden.

OFD-Verfügung zur Anerkennung von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen

In einer gemeinsamen Verfügung vom 12. 8. 2009 zur Anerkennung von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen greifen die OFD Rheinland und die OFD Münster die folgende Formulierung zur Verlustübernahme auf:

„Die …GmbH verpflichtet sich, entsprechend § 302 AktG jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag der …GmbH auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den freien Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind“.

Im ersten Satzteil wird die Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG in Gänze vereinbart. Der zweite Satzteil beinhaltet eine wörtliche Wiedergabe des § 302 Abs. 1 AktG. Die OFD wollen den ersten Satzteil sprachlich und inhaltlich nur im Gesamtzusammenhang mit dem zweiten Satzteil verstanden wissen. Daraus schließt die Finanzverwaltung, dass es bei einer gewollten vollumfänglichen Geltung des § 302 AktG einer nachfolgenden Wiederholung des Wortlauts von § 302 Abs. 1 AktG nicht bedurft hätte. Mithin sollen insbesondere die Absätze 3 und 4 nicht wirksam vereinbart worden sein mit der Folge, dass der steuerlichen Organschaft die Anerkennung zu versagen ist.

Aktuelle Rechtsprechung

Entgegen der inzwischen gefestigten BGH-Rechtsprechung, wonach § 302 AktG im GmbH-Konzern zivilrechtlich analog, also ohne gesonderte Vereinbarung, anzuwenden ist, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Gewinnabführungsvertrag eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zur Verlustübernahmeverpflichtung enthalten muss. Gegen ein entsprechendes BFH-Urteil vom 3. 3. 2010 (Az. I R 68/09) wurde allerdings Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG, Az. 2 BvR 9987/10).

Zur Notwendigkeit und zur konkreten Formulierung einer Verlustübernahmeverpflichtung ist zwischenzeitlich ein AdV-Beschluss (BFH-Beschluss vom 28. 7. 2010, Az. I B 27/10) ergangen. Im vorliegenden Fall hatte eine GmbH die Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Festsetzung von Steuervorauszahlungen begehrt. Strittig war, ob zwischen der GmbH als Organgesellschaft und ihrem Organträger eine wirksame Verlustübernahmeverpflichtung vereinbart worden war.

In seinem Aussetzungsbeschluss hält der I. Senat zwar einerseits an der ständigen Spruchpraxis des BFH zur Vereinbarung der Verlustübernahmeverpflichtung fest, nimmt aber andererseits klar und deutlich zur im zugrunde liegenden Fall vereinbarten Vertragsklausel Stellung. Der I. Senat gewährte die Aussetzung der Vollziehung, da es nicht ernstlich zweifelhaft sei, dass mit der vorliegenden Vertragsklausel

„Die (Organträgerin) ist entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind“

eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart wird.

Der Wortlaut der dem Beschluss zugrunde liegenden Vertragsklausel weicht von der in der oben genannten OFD-Verfügung schädlichen Verlustübernahmeverpflichtung zwar insoweit ab, dass im ersten Satzteil auf „die Vorschriften“ des § 302 AktG und nicht lediglich auf „§ 302 AktG“ verwiesen wird. Gleichwohl bezeichnet der I. Senat die von den OFD aufgegriffene Formulierung als vergleichbare Klausel. Darüber hinaus enthält der Leitsatz der Entscheidung den Zusatz „gegen Verfügung der OFD Rheinland vom 12. 8. 2009″.

Die Ausführungen des BFH könnten so ausgelegt werden, dass es ebenfalls nicht ernstlich zweifelhaft ist, dass die von den OFD aufgegriffene Vertragsklausel die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Entsprechendes sollte für ähnliche Formulierungen gelten. Allerdings ist zu beachten, dass sich das Verfahren ausschließlich gegen die Vollziehung eines Steuerbescheids richtet. Die Entscheidung in der Hauptsache bleibt abzuwarten.

Geplante Änderung durch das Jahressteuergesetz 2010

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren des Jahressteuergesetzes 2010 hat der Bundesrat um Prüfung gebeten, ob § 17 KStG derart geändert werden sollte, dass lediglich auf das Bestehen einer Verpflichtung zur Verlustübernahme nach § 302 AktG abgestellt wird. Das Erfordernis der ausdrücklichen Vereinbarung der Verlustübernahme im Gewinnabführungsvertrag würde damit entfallen (§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG-E). Zudem könnte die Neuregelung rückwirkend auf alle nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden sein (§ 34 Abs. 10a1 KStG-E). Wie der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf zu entnehmen ist, beabsichtigt die Bundesregierung, der Bitte um Prüfung nach zu kommen. Eine positive Entscheidung wäre zur Rechtssicherheit und als Beitrag zur Steuervereinfachung und zum Bürokratieabbau zu begrüßen.

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