Primäres Ziel der Thesaurierungsbegünstigung ist die Herstellung einer weitgehenden Belastungsneutralität zwischen ertragstarken Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften. Hierzu sieht § 34a Einkommensteuergesetz (EStG) seit dem Jahr 2008 ein Wahlrecht für Personenunternehmen vor, unter gewissen Voraussetzungen ihren nicht entnommenen Gewinn einem begünstigten Steuersatz zu unterwerfen (28,25% + Solidaritätszuschlag, statt bis zu 45% + Solidaritätszuschlag). Analog zur Besteuerung der Kapitalgesellschaften kommt es im Zeitpunkt der späteren Entnahme zu einer Nachversteuerung mit 25% (+ Solidaritätszuschlag).
Ob ihrer Komplexität, ihrer (vermeintlich) mangelnden Zielerreichung und ihres (vermeintlich) geringen faktischen Anwendungsbereichs ist die Thesaurierungsbegünstigung häufig kritisiert, bisweilen sogar ihre Abschaffung gefordert worden. Auf der anderen Seite finden sich aber auch gewichtige und überzeugende Stimmen, die sich für die Beibehaltung und (moderate) Fortentwicklung des § 34a EStG aussprechen. Vor diesem Hintergrund wurde an meinem Lehrstuhl eine Onlinebefragung zur Akzeptanz, zur tatsächlichen Anwendung und zu ersten praktischen Erfahrungen mit § 34a EStG durchgeführt. Die Umfrage richtete sich an Steuerberater führender Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsgesellschaften.
Ergebnisse der Befragung
Wenig überraschend gab die Mehrzahl der befragten Steuerberater an, die Thesaurierungsbegünstigung komme de facto nur für einen überschaubaren Kreis von Personenunternehmen in Frage; namentlich für Steuerpflichtige, die dem Spitzentarif unterliegen. Gleichwohl werde die Tarifoption in der Praxis von diesen Steuerpflichtigen durchaus genutzt. Im Rahmen der Befragung wurden zudem Meldungen aus der Tagespresse bestätigt, einzelne Landesfinanzbehörden bekämen die Thesaurierungsbesteuerung maschinell nicht verarbeitet. Die Software der Steuerberater habe hingegen – so die Auskunft der Befragten – keine nennenswerten Probleme mit der Anwendung dieser Norm.
Gegen eine Inanspruchnahme des § 34a EStG sprechen aus Sicht der Steuerberater insbesondere das Risiko einer zeitnahen Nachversteuerung (Entnahmebedarf), ein zu geringer Steuersatz (bzw. ein zu geringes zu versteuerndes Einkommen), die Unsicherheit über die weitere Geschäftsentwicklung (insbes. Finanzkrise) sowie die Komplexität. Die Befragten stimmen weitestgehend überein, dass mit der Thesaurierungsbegünstigung zwar keine Rechtsformneutralität, zumindest aber eine gewisse Angleichung der tariflichen Steuerbelastung von ertragstarken Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften erreicht werden könne. Gesetzgeberischen Nachbesserungsbedarf sehen die Praktiker speziell bei der mangelnden Thesaurierungsfähigkeit der Gewerbe- und Einkommensteuer (hierdurch steigt die Steuerbelastung bei Thesaurierung auf 36,16% an!), der pauschalen Nachversteuerung, der Verwendungsreihenfolge und der Zwangsnachversteuerung in Umwandlungsfällen.
Steuerpolitische Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen, dass die Thesaurierungsbegünstigung in der Praxis ihre Berechtigung findet. Steuerpflichtige bzw. Steuerberater haben sich offensichtlich – trotz angebrachter Kritik und Skepsis – auf die Norm des § 34a EStG eingestellt. Forderungen nach einer (ersatzlosen) Abschaffung gehen daher zu weit. Die Thesaurierungsbegünstigung ist ein steuerliches Wahlrecht, das genutzt werden kann, jedoch nicht zwingend genutzt werden muss. Mit ihr verfügen (ertragstarke) Personenunternehmen über ein komplexes, aber attraktives Gestaltungsinstrument zur begünstigten Besteuerung des nicht entnommenen Gewinns. Freilich sind moderate Fortentwicklungen notwendig, um die Regelung mittelstands- und anwenderfreundlicher zu gestalten.