Ein Gespenst geht um in Europa: zunehmend mehr Länder versuchen ihr Steuersubstrat durch eine Begrenzung des Zinsabzugs zu schützen und schütten dabei teilweise das Kind mit dem Bade aus. Einem internationalen Trend folgend wird die Höhe des zulässigen Zinsabzugs als Prozentsatz auf ein steuerliches Ergebnis bezogen. In Deutschland sind beträgt der Schwellenwert 30% eines steuerlich modifizierten EBITDA. Dieses neue Rechtsfolgenkonzept ersetzt die in früheren Jahren international regelmäßig praktizierte Umqualifikation von Zinsen in (verdeckte) Gewinnausschüttungen. Ein wesentlicher Grund für diesen Paradigmenwechsel war die Sorge, dass ein solches switch-over Konzept konsequent zu Ende gedacht dazu zwingt, die auf Ebene der zinszahlenden Gesellschaft von Dividenden in Zinsen umqualifizierten Vergütungen im Sitzstaat des Empfängers entsprechend umzuqualifizieren. Die Folge wäre dort eine korrespondierende Steuerfreistellung. Die schlichte Abzugsbeschränkung ist da aus fiskalischer Sicht schon viel freundlicher, belastet die Wirtschaft aber mit einer gezielten und gewollten Doppelbesteuerung.
Hinzu kommt das in Deutschland beispiellos weit gefasste Tatbestandskonzept. Unter die Zinsschranke fallen – anders als früher – nicht nur Zinsen an Gesellschafter, sondern unterschiedslos alle Zinszahlungen, auch wenn der Empfänger ein fremder Dritter, z. B. eine Bank ist. Betroffen sind zudem alle Rechtsformen, während nach früherem Konzept „nur“ Kapitalgesellschaften sanktioniert wurden. Eine Erleichterung hat die Neuregelung durch die Unternehmenssteuerreform allein an einer Stelle gebracht. Nach früherem Recht waren Zinsen auf Darlehen zum konzerninternen Erwerb einer Beteiligung vollständig vom Abzug ausgeschlossen. Dahinter stand die Überlegung, dass sich die konzerninterne (steuerfreie) Übertragung von Beteiligungen unter gleichzeitiger Kreditierung des Kaufpreises eines der wirksamsten Gestaltungsmittel zur gezielten Lokalisierung von Zinsaufwand ist (debt-push-down).
Genau dieses Konzept sollte in Österreich zur minimalinvasiven Begrenzung des Zinsaufwands eingeführt werden. Zwar ist eine solche Regelung im aktuell vorliegenden Gesetzentwurf des Betrugsbekämpfungsgesetzes 2010 nicht mehr enthalten. Doch hat dies vorwiegend semantische Gründe, denn in Österreich ist man zu der Erkenntnis gelangt, dass es der Akzeptanz der Beschränkung nicht dienlich ist, wenn der Betriebsprüfer in Zukunft zur Begründung der Zinsabzugsbeschränkung auf das „Betrugsbekämpfungsgesetz“ verweisen müsste. Viel spricht daher dafür, dass im Laufe des Oktobers eine Zinsabzugsbeschränkung in einem „Steuerreformgesetz“ oder einem „Budgetbegleitgesetz“ erneut eingefügt wird.