Organschaft mit Lücken und Tücken

Das Köperschaftsteuerrecht ermöglicht eine rudimentäre Konzernbesteuerung in Form der Organschaft. Erforderlich ist hierfür „nur“, dass die Konzernspitze mit jeder von ihr beherrschten Kapitalgesellschaft einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) schließt. Dieser ist Rechtsgrund für die Abführung des ganzen Gewinns und für die Übernahme der Verluste durch den Organträger. Im Ergebnis werden die Gewinne und Verluste im Organkreis steuersubjektübergreifend verrechnet. Der Preis dafür ist allerdings hoch. Mit der Verpflichtung zur Verlustübernahme wird die Haftungsbegrenzung auf Ebene der Organgesellschaften faktisch aufgehoben. Das Ganze ähnelt damit einer Ehe: Chancen und Risiken werden geteilt und bei Bedürftigkeit wird Unterhalt gezahlt.

Trotzdem soll nach Auffassung der Finanzverwaltung der Grundsatz „Bis dass der Tod Euch scheidet“ offenbar nicht für die Organschaft gelten. Sobald eine Organgesellschaft die Liquidation beschließt, soll die Einkommenszurechnung enden und der daraus resultierende Gewinn oder Verlust nicht dem Organträger zugerechnet werden. Im Liquidationsfall tut sich damit u. U. eine erhebliche Lücke in der Einkommenszurechnung auf. Die Finanzverwaltung stützt sich dabei auf eine frühe Entscheidung des BFH. Danach sollen die Rechtsfolgen der Organschaft nur für Erwerbsgesellschaften gelten.

Die Organgesellschaft bestehe zwar während der Abwicklungsphase weiter, ihr Zweck sei jedoch nicht mehr auf den Erwerb, sondern ausschließlich auf ihre Auflösung gerichtet. Damit entfalle auch die Verpflichtung zur Abführung des Abwicklungsgewinns. Zu diesem Ergebnis kommt der BFH jedenfalls, nachdem er den streitgegenständlichen GAV nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt hat. So gesehen entfiele damit für die Organgesellschaft die Verpflichtung zur Abführung eines Abwicklungsgewinns sowie aus Sicht des Organträgers die Verpflichtung, einen möglichen Abwicklungsverlust zu tragen. Dieses Ergebnis überzeugt nur zum Teil. Soweit ein Abwicklungsgewinn erzielt wird, erscheint es gut vertretbar, wenn die (frühere) Organgesellschaft diesen selbst versteuert. Kommt es dagegen zu einem Verlust, tritt die Problematik zu Tage, dass dieser von der nun abgewickelten Gesellschaft steuerlich nicht mehr verrechnet werden kann. Nach der Rechtsprechung ginge ein solcher Verlust also endgültig unter und würde im steuerlichen Niemandsland landen. Der einzig  mögliche Vorteil einer solchen Keinmalverrechnung wäre, dass sich der Organträger bei dieser Sichtweise ganz leicht seiner Pflicht zur Verlustübernahme nach § 302 AktG entledigen könnte: er braucht „nur“ einen Liquidationsbeschluss zu fassen und schon wäre er frei von dieser Verpflichtung.

Diese vermeintlichen Tücken der Organschaft lassen sich bei näherer Betrachtung auflösen: Zwar muss es sich bei einem inländischen Organträger nach § 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz bzw. bei einem ausländischen Organträger nach § 18 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz zwingend um ein gewerbliches Unternehmen handeln. An die Organgesellschaft ist demgegenüber jedoch keine derartige Voraussetzung geknüpft, so dass auch eine in der Abwicklungsphase befindliche Gesellschaft weiterhin als Organgesellschaft qualifiziert werden kann. Ebenso ist es nicht nachvollziehbar, dass die Verpflichtung zur Abführung des ganzen Gewinns nach § 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz den Abwicklungsgewinn der Organgesellschaft nicht umfassen sollte. Eine vertragliche Vereinbarung über die Abführung des ganzen Gewinns impliziert gerade keinerlei Einschränkungen oder Lücken. Bestünden dennoch Zweifel an diesem Ergebnis, kann jedoch regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Abführung des Abwicklungsgewinns im gemeinsamen Interesse beider Vertragsparteien nach einer zeitnahen, umfassenden Verrechnung von Gewinnen und Verlusten innerhalb der Unternehmensgruppe steht.

Kommentare sind geschlossen.