Öffentliche Kassen sind chronisch leer. Daher sehen sich immer mehr öffentlich-rechtliche Institutionen, wie Kommunen, Landkreise, Hochschulen und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) dazu gezwungen, ihre Leistungen gegen Entgelt anzubieten. Und sobald Geld fließt, ist das Finanzamt nicht mehr weit weg. Auch wenn die Einnahmen vielfach nicht die Kosten decken, muss geprüft werden, ob der Sachverhalt der Mehrwertsteuer unterliegt. Denn hier kommt es – anders als im Ertragsteuerrecht – nicht darauf an, ob ein Gewinn erzielt wird. Es genügt vielmehr die bloße Erzielung von Einnahmen. Die Heranziehung zur Mehrwertsteuer ist allerdings keinesfalls immer ein Nachteil. Nicht selten will z. B. eine Kommune sogar mit einer bestimmten Tätigkeit unter die Steuerpflicht fallen, da sie dann dazu berechtigt ist, eine Erstattung der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (Vorsteuer) zu beantragen.
Grundvoraussetzung für die Umsatzbesteuerung einer Kommune ist die Unternehmereigenschaft. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind jPdöR „nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art … und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.“ Für die Frage wann ein Betrieb gewerblicher Art und damit eine unternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand vorliegen, knüpft das nationale Recht an die körperschaftsteuerliche Beurteilung an. Danach sind hoheitliche Tätigkeiten und Tätigkeiten, die der Sphäre der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, keine Tätigkeiten im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art. Insoweit besteht nach deutschem Verständnis kein Unternehmen. Einnahmen aus hoheitlichen oder vermögensverwaltenden Tätigkeiten sind daher in Deutschland (bislang) nicht umsatzsteuerbar.
Die Mehrwertsteuer ist allerdings längst keine nationale Steuer mehr, sondern – zumindest im Grundsatz – europaweit harmonisiert. Dies resultiert aus der gemeinschaftsrechtlichen Zielvorstellung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, dessen Grundstein die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits vor über 40 Jahren legten. Die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen sind insbesondere in der sog. Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie normiert. An dieser gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie muss sich das nationale Recht orientieren.
Dies hat der BFH in einer aktuellen Entscheidung noch einmal deutlich herausgearbeitet (Az. V R 10/09, DB 2010 S. 1440). Bei richtlinienkonformer Auslegung ist die rein deutsche Erfindung der nichtsteuerbaren „Vermögensverwaltung“ für die nach höherrangigem Europäischen Recht zu beurteilende Frage nach der Mehrwertsteuerpflicht öffentlich-rechtlicher Unternehmen ohne Bedeutung. Eine Kommune ist vielmehr grundsätzlich immer dann unternehmerisch tätig, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage gegen Entgelt Leistungen erbringt. Selbst Tätigkeiten aufgrund öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen, z. B. der Betrieb eines Krematoriums, unterliegen bei größeren Wettbewerbsverzerrungen der Mehrwertsteuer.
Für öffentlich-rechtliche Unternehmen ergibt sich aus diesem Urteil akuter Handlungsbedarf. Je nach Sachverhalt kann dies positiv (Vorsteuerabzug auf Investitionen) oder negativ im Sinne einer Erhöhung der Gebühren für die Bürger wirken. Wichtig ist dabei vor allem die Frage, ob die geschlossenen Verträge es erlauben, die jetzt anfallende Mehrwertsteuer zusätzlich in Rechnung zu stellen.
Auf alle Fälle gibt es die bisherige nationale Steueroase der nicht umsatzsteuerbaren Vermögensverwaltung nicht mehr. Ob dies zu mehr Rechtssicherheit führt, wird man allerdings bezweifeln müssen, da die bisher schon streitanfällige Grenzziehung zwischen hoheitlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten – mittels des wenig trennscharfen Kriteriums der „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ – noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.