Kauf notleidender Forderungen umsatzsteuerpflichtig?

StB Dr. Thomas Töben, Partner bei Pöllath + Partners, Berlin

Umsätze im Geschäft mit Forderungen sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei, mit Ausnahme der Einziehung der Forderungen. Der Verkauf einer Forderung ist eine umsatzsteuerfreie Leistung des Verkäufers. Die umsatzsteuerliche Behandlung des Erwerbs eines Portfolios zahlungsgestörter Forderungen, sogenannter Non-Performing Loans  (NPL) ist hingegen nicht geklärt. Gegenwärtig existieren voneinander abweichende Entscheidungen der Finanzgerichte zu dieser Frage.

Die Finanzverwaltung behandelt den Erwerb eines NPL-Portfolios als eine umsatzsteuerpflichtige Leistung des Erwerbers an den Verkäufer. Die Leistung bestehe darin, dass der Erwerber die Einziehung und ggf. das Delkredererisiko übernehme. Diese Sichtweise folgt den Grundsätzen einer Entscheidung des EuGH zum Factoring (MKG). Richtigerweise ist die Veräußerung eines NPL-Portfolios nicht mit dem Factoring-Geschäft vergleichbar. Der Erwerber eines NPL-Portfolios erbringt keine Leistung an den Verkäufer gegen Gebühr und agiert auch nicht wie ein Factor in einer Dauerrechtsbeziehung zum Verkäufer; vielmehr handelt es sich um einen einmaligen Akt.

Jüngst hat der BFH sich in einem Vorlagebeschluss an den EuGH gewandt. Hierin äußert er Zweifel, ob die einschlägige EU-Richtlinie zur Mehrwertsteuer dahingehend auszulegen sei, dass der Erwerber zahlungsgestörter Forderungen durch die Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko eine Leistung gegen Entgelt erbringt, wenn sich der Kaufpreis nach dem Ausfallrisiko richtet und dem Einzug im Verhältnis zu dem Ausfallrisiko nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Als maßgeblichen Unterschied zum Sachverhalt der MKG-Entscheidung sieht der BFH die Tatsache an, dass im zu entscheidenden Fall keine Delkredere- bzw. Factoringgebühr vereinbart worden sei. Der auf den Nennwert der Forderungen vorgenommene Abschlag könne zwar den Gegenwert einer Leistung darstellen, jedoch beruhe der Abschlag insbesondere auf der Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderungen und dafür bestellter Sicherheiten. Diesem Umstand sei in der Rechtssache MKG keine Bedeutung zugekommen.

Zweifel äußert der BFH auch bezüglich der Frage, ob die Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderungen und dem Kaufpreis ein Entgelt für den Forderungseinzug sein könne. Im Rahmen der zweiten Vorlagefrage fragt der BFH an, ob die Übernahme des Ausfallrisikos als Garantie und der Forderungseinzug als Nebenleistung steuerfrei seien.

Die Zweifel des BFH überzeugen. Eine entgeltliche Leistung des Käufers der Forderung liegt nicht vor und lässt sich insbesondere nicht aus dem Vergleich zum Factoring herleiten. Dagegen spricht insbesondere die Motivation des Erwerbers. Im Rahmen einer NPL-Transaktion ist es regelmäßig zwar auch Ziel, Liquidität zu erhalten, hauptsächlich geht es aber darum, Sicherheit über den Rückfluss aus den zahlungsgestörten Forderungen zu erlangen. Für diese Sicherheit nimmt der Veräußerer einen Abschlag vom Kaufpreis in Kauf. Dieser Abschlag kann deshalb nicht als ein Entgelt für die Forderungseinziehung angesehen werden.

Auch aus der Perspektive des Erwerbers kann nicht von einem Entgelt für eine Einziehung gesprochen werden. Der Kaufpreisabschlag trägt dem Wertverfall und dem Risiko Rechnung, welches der Erwerber bei Kauf zahlungsgestörter Forderungen eingeht. Bei der Übertragung kompletter Darlehensverhältnisse kann ein weiteres Abgrenzungskriterium zum Factoring geschaffen werden. Denn die Verpflichtung des Erwerbers kann in diesem Fall nicht auf den Forderungseinzug beschränkt sein, da er selbst schuldrechtliche Verpflichtungen aus den übertragenen Darlehensverhältnissen übernimmt. Eine solche Übertragung ist jedoch von der Zustimmung des Schuldners abhängig.

Falls jedoch der EuGH in seiner Entscheidung zum Vorlagebeschluss des BFH von einer steuerbaren (entgeltlichen) Leistung des Erwerbers ausgehen sollte, stellt sich die Frage nach der Steuerfreiheit dieser Leistung. Insoweit könnte eine steuerfreie Nebenleistung vorliegen. Eine NPL-Transaktion ist insoweit mit dem der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bally zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar. Dort sah der EuGH die Garantie eines Kreditkartenunternehmens gegenüber einem Warenlieferanten für die Bezahlung von Ware durch einen Kunden als steuerfreie Leistung an den Lieferanten an. Überträgt man diese Grundsätze, liegt es nahe, die Einziehung der Forderungen nur als Nebenleistung zu der steuerfreien Garantie anzusehen. Denn dem Forderungsverkäufer, dem Empfänger der Leistung,  kommt es letztlich nur auf die Höhe des Kaufpreises an. Ob die Forderungen schließlich eingezogen werden, ist für ihn nicht erheblich, da es den Kaufpreis nicht beeinflusst.

Eine Einordnung der etwaigen Leistung des Forderungserwerbers als Kreditgewährung hat der BFH überdies zu Recht abgelehnt. Die Übernahme des Kreditausfallriskos durch den Erwerber lässt eine Einordnung als Kreditgewährung durch den Erwerber nicht zu.

Im Rahmen der Vorlage fragt der BFH weiterhin an, ob sich das Entgelt für eine etwaige Leistung nach den von den Parteien vermuteten oder den tatsächlichen Einziehungskosten bestimme. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist Bemessungsgrundlage die Differenz zwischen dem nach Ansicht der Parteien voraussichtlich realisierbaren Teil der Forderungen („wirtschaftlicher Nennwert“) und dem Betrag, den der Erwerber für diese Forderungen zahlt.

Falls der EuGH NPL-Transaktionen als grundsätzlich umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig beurteilen sollte, wird er also auch diese Frage nach der Bemessungsgrundlage zu entscheiden haben. Solange Unklarheit besteht, sollten die Parteien, um die mögliche Umsatzsteuerbelastung gering zu halten, festlegen, welcher Teil des Differenzbetrags, der die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage darstellt, auf die Übernahme des Ausfallrisikos, und auf welchen Teil auf den Erwerb, die Finanzierung bzw. auf das Forderungsmanagement entfällt. Man kann dann nur hoffen, dass das hält.

Aufgrund des anhängigen Revisionsverfahrens und des Vorlagebeschlusses an den EuGH besteht gegenwärtig keine Rechtsicherheit. Das kann die Inhaber solcher Forderungen hart treffen, insbesondere Banken, die immer noch auf solchen notleidenden Forderungen in Milliardenhöhe sitzen. Diese Forderungen werden früher oder später abgestoßen werden (müssen), trotz bisheriger Wertberichtigungen zu Preisen vermutlich nicht nur unter deren Nominal-, sondern sogar unter dem heute schon niedrigeren Buchwert. Weitere Verluste der Forderungsverkäufer würden bei Beurteilung der NPL-Transaktionen als umsatzsteuerpflichtige Umsätze dann auch noch um Umsatzsteuerlasten erhöht. Denn ein Vorsteuerabzug wird oft nicht möglich sein.

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