Mit dem am 13. 12. 2006 in Kraft getretenen Gesetz über die steuerlichen Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) wollte der Gesetzgeber u. a. sicherstellen, dass im Inland entstandene stille Reserven auch dann der deutschen Besteuerung unterliegen, wenn das betreffende Wirtschaftsgut zwischenzeitlich ins Ausland überführt wird. Ganz offensichtlich sorgt sich der deutsche Fiskus darüber, dass er möglicherweise gar nichts oder zu wenig von dem Kuchen abbekommt, den der Steuerpflichtige in Deutschland gebacken, dann aber ins Ausland verbracht hat. Und ganz ähnlich wie in den Kindertagen waren die Augen dabei größer als der Magen, was mitunter Bauchweh hervorrufen kann.
Durch die neuen Entstrickungsregelungen soll ein System der Schlussbesteuerung geschaffen werden. Eine logische Sekunde bevor Deutschland den fiskalischen Zugriff auf ein Wirtschaftsgut zu verlieren droht, will der Gesetzgeber schnell noch einmal zugreifen. Rechtstechnisch versucht er dies zum einen über die Fiktion einer Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) oder die Fiktion einer Veräußerung (§ 12 Abs.1 KStG). Im Fokus der Überlegung soll nun die Frage stehen, welche inhaltlichen Grenzen dieser Ansatz hat.
Nach der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes ist ein solcher Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Position nur aufgrund eines formellen Gesetzes möglich. Die Entstrickungsregelungen setzen im Tatbestand „einen Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland“ voraus. Dies bedeutet zum einen, dass zunächst ein Besteuerungsrecht zugunsten der Bundesrepublik Deutschland bestanden haben muss. Es kann nur ausgeschlossen oder beschränkt werden, was einmal schon bestanden hat. Diese Überlegung scheint schon zu banal, als dass sie einer näheren Beschreibung bedürfte. Sie führt aber in der Weiterentwicklung zu dem Schluss, dass ein Tatbestand, der an den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts anknüpfen will, möglicherweise genau eine Sekunde zu spät kommt, und ganz sicher nicht mehr für zukünftige Wertsteigerungen gelten kann. Für den Grundfall der Überführung eines Wirtschaftsguts über die Grenze bedeutet dies, dass die nach der Überführung entstehenden stillen Reserven mit Sicherheit nicht in Deutschland besteuert werden können.
Die Finanzverwaltung sieht das offenbar anders: So schreibt der BFH in seinem Urteil über die Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme nicht ohne Grund: „Soweit das BMF schließlich meint, außer einem Zugriffsrecht auf die zum Überführungszeitpunkt vorhandenen, im Inland entstandenen stillen Reserven … bedürfe es … auch noch einer Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich künftiger Wertsteigerungen … , vermag der Senat dem nicht zu folgen, BFH vom 17. 7. 2008 – I R 77/06, Rz. 50, DB 2008 S. 2281.
Die Finanzverwaltung hat also offensichtlich den Blick schon über den Kuchentellerrand hinaus geworfen und auch zukünftige Wertsteigerungen in den Blick genommen. Dieser Auffassung wird in der Literatur jedoch zu Recht entgegengetreten. Denn wenn der Tatbestand eine Entnahme bzw. eine Veräußerung fingiert, so muss dies auch folgerichtig weiter entwickelt werden. Maßgeblich ist der Wert im Zeitpunkt des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts. Das Verlangen nach einem größeren Stück von dem verlockend anmutenden Kuchen ist zwar aus fiskalischer Sicht verständlich, mit der gegenwärtigen Rechtslage jedoch nicht einmal ansatzweise vereinbar.
Ein ganz anderes Thema ist die Frage, wann der Kuchen verzehrt werden kann. Auch hier scheint der Appetit des Fiskus deutlich zu groß zu sein. Die Finanzverwaltung möchte den Kuchen nämlich gerne aufessen, bevor er überhaupt gebacken ist. Anders als im Gesetz vorgeschrieben und vom BFH herausgearbeitet will sie nämlich nicht warten, bis der Erfolg aus der Veräußerung des Wirtschafsguts realisiert wird, sondern direkt zugreifen, wenn das Wirtschaftsgut ins Ausland abwandert. Und wer sich recht erinnert, der weiß auch, dass der Verzehr von rohem Teig ganz besonders heftige Bauchschmerzen verursachen kann.