Italienische Steueramnestien – eine Erfolgsgeschichte?

Das Ende der letzten italienischen Steueramnestie liegt nun fast sechs Monate zurück. Der Begriff „scudo fiscale“ (steuerlicher Schutzschild) lässt erahnen, worin der Vorteil für Steuersünder lag: Im Ausland illegal gehaltenes Vermögen konnte gegen eine Abgeltungsleistung in Höhe von 5% (50% auf einen fiktiven Zinsertrag von 2% für die letzten fünf Jahre vor dem 31.  12. 2008) straffrei nach Italien zurückgeführt werden, entweder faktisch oder auch nur formal (über den Erklärungsweg); die Herkunft der rückgeführten Vermögen interessierte die „Agenzia delle Entrate“ (Einnahmeagentur) nicht. Es war die dritte Steueramnestie innerhalb von zehn Jahren, erneut lanciert vom italienischen Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti. Auffällig ist, dass diese dritte und vorerst wohl letzte Amnestie besonders attraktiv ausfiel. Dies überrascht umso mehr, da nach Ablauf der Regelungen von 2001 und 2003 eigentlich keine weitere vorgesehen war.

In 2008 stellte Tremonti klar, dass es eine straffreie Legalisierung von schwarzem Auslandsvermögen nur mehr im europäischen Kontext geben könne. In Anbetracht der letzten Regelung ist klar: Diese Aussage war nicht mehr als eine bloße Absichtserklärung. Doch welche Gründe bewegten den Finanz- und Wirtschaftsminister der vierten Regierung Berlusconi – den der ehemalige britische Premier Tony Blair einst als den gebildetsten unter den Wirtschaftsministern pries – erneut einen italienischen Sonderweg einzuschlagen? Die Gründe sind vielfältig, doch überwiegt der Erfolg der vergangenen Regelungen: Durch die Schutzschilde der Jahre 2001 und 2003 konnten insgesamt 77 Mrd. € an Vermögen repatriiert werden. Die Rekapitalisierung der Wirtschaft und der Banken Italiens waren nicht minder wichtig als die Abgeltungsleistungen in Höhe von 2,5% (Regelung von 2001) und 4% (Regelung von 2003), die zur Sanierung des italienischen Finanzhaushaltes beitrugen.

Italien hat die Finanz- und Wirtschaftskrise hart getroffen. Die chronische Wachstumsschwäche und Unterkapitalisierung sowie die hohe Staatsverschuldung schränkten die staatlichen Konjunkturimpulse notgedrungen ein. Der Griff zum dritten „scudo“ lag mehr oder minder auf der Hand. Die Regelung trat am 15. 9. 2009 in Kraft und sollte ursprünglich am 15.12.2009 auslaufen. Allerdings beschloss der Gesetzgeber eine Verlängerung des „scudo“ bis zum 30.4.2010 mit Abgeltungsleistungen in Höhe von 6% (16. 12. 2009 bis 28. 2. 2010) und 7% (1. 3. 2010 bis 30. 4. 2010). Die Regelungen von 2001 und 2003 provozierten einen europaweiten Aufschrei, die von 2009 hingegen kaum, da sie in eine Zeit der Krise und Kampfansagen an Steueroasen fiel. Dass der „scudo“ von 2009 der letzte seiner Art gewesen sein könnte, scheint im Zuge der Ächtung und Trockenlegung von Steueroasen glaubhafter als zuvor. So brauchte es nur wenig Überzeugungskraft, um italienische Steuersünder zu veranlassen, ihre finanziellen (Geldbeträge, Wertpapiere oder Beteiligungen) und nichtfinanziellen (Immobilien, Juwelen oder Kunstgegenstände) Mittel sowie hieraus fließende Erträge in der Heimat zu legalisieren. Denn es zeichnete sich ab, dass in Zukunft vermehrt DBA abgeschlossen und die Auskunftspflichten im Rahmen der grenzüberschreitenden Amtshilfe erweitert werden.

Die Regierung rechnete mit einem Ertrag zwischen 2 und 4 Mrd. €. Die Erfolgsbilanz lässt sich zeigen: Italien führte insgesamt 104,5 Mrd. € an Vermögen aus dem Ausland zurück und kassierte hierfür 5,6 Mrd. € an Abgeltungsleistungen. Unlängst korrigierte die „Banca d’Italia“ (italienische Staatsbank) die Regierungsangabe von 104,5 Mrd. € auf 97 Mrd. € (u.a. 66,78 Mrd. € aus der Schweiz, 7,6 Mrd. € aus Luxemburg und 4,6 Mrd. € aus San Marino). Der Finanzplatz Lugano erzitterte bei Verlautbarung des dritten „scudo fiscale“. Allerdings hat dieser dem nach Zürich und Genf drittgrößten Finanzplatz der Schweiz kaum geschadet, obwohl nur eine faktische Rückführung (materielle oder rechtliche) möglich war – denn der Erklärungsweg stand Steuerhinterziehern ausschließlich im Fall von EU-Staaten und kooperativen DBA-Staaten offen. Das Tessin ist glimpflich davongekommen, weil auch die rechtliche Rückführung beansprucht wurde (d. h. Aufbewahrung und Verwaltung durch einen italienischen Treuhänder oder aber Übertragung an eine Gesellschaft mit Rückführung der Gesellschaftsanteile) und die lokalen Banken einen Großteil der rückgeführten Gelder durch Filialen in Italien auffangen konnten. Einer Studie der „Associazione Bancaria Ticinese“ (Tessiner Bankiervereinigung) zufolge wurde gut ein Drittel der italienischen Vermögen im Tessin in der Heimat legalisiert, wobei sich der tatsächliche Rückfluss nach Italien auf gerade einmal 50% beschränkte.

Es bleibt ein fader Beigeschmack. Denn die Irrelevanz der Herkunft half allein Vermögen aus illegalen Geschäften. Die Kritiker der Regelung sprachen von Geldwäsche unter dem Schutzmantel öffentlicher Institutionen. Der italienische Oppositionspolitiker und ehemalige Staatsanwalt Antonio Di Pietro fand deutlichere Worte, indem er die Begünstigten, die diversen kriminellen Vereinigungen Italiens, beim Namen nannte. In Anbetracht der aktuellen Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft in Rom gegen den amtierenden Regierungschef Silvio Berlusconi in Sachen Steuerhinterziehung (vgl. die Tageszeitung „Il Sole 24 Ore“ vom 15.10.2010) stellt sich die Frage, wie der Fiskus der Gefahr einer schwindenden Steuermoral bei den ehrlichen Steuerbürgern Italiens begegnen will. Sicher ist: Auf eine Neuauflage des „scudo fiscale“ sollte er – zumindest in naher Zukunft – verzichten.

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