Die Vereinbarung der Verlustübernahmeverpflichtung bei einer Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft ist mit zahlreichen Zweifelsfragen verbunden. Wesentlichen Problemfelder und die vorgeschlagenen Änderungen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) wurden im Steuerboard-Beitrag vom 16. 9. 2010 dargestellt. Die Dynamik dieses Themas blieb auch in den vergangenen Wochen ungebrochen hoch. Neuerungen gibt es von der Rechtsprechung, der Verwaltung und auch von der Gesetzgebung zu berichten.
Gefestigte BGH-Rechtsprechung und ständige Rechtsprechung des BFH stehen sich bezüglich des Erfordernisses der ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung einer Verlustübernahmeverpflichtung konträr gegenüber. Während nach BGH-Rechtsprechung die Vorschriften des § 302 AktG auch ohne gesonderte Vereinbarung für eine GmbH gelten, besteht der BFH für steuerliche Zwecke mit Hinweis auf § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG auf einer ausdrücklichen Vereinbarung im Ergebnisabführungsvertrag. Die gegen ein entsprechendes Urteil des BFH vom 3. 3. 2010 (Az. I R 68/09, DB0362517) eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG vom 31. 10. 2010 – 2 BvR 998/10). Insoweit bleibt es bei der steuerlichen Notwendigkeit, eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG zu vereinbaren.
Veröffentlichung eines BMF-Schreibens vom 19. 10. 2010
Die Unsicherheiten hinsichtlich der Formulierung einer entsprechenden Vertragsklausel wurden aufgrund einer gemeinsamen Verfügung der OFD Rheinland und der OFD Münster vom 12. 8. 2009 ausgelöst. Danach sollen bestimmte Vertragsklauseln steuerlich nicht anerkannt werden, die im ersten Satzteil die Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG in Gänze vereinbaren, im zweiten Satzteil jedoch eine wörtliche Wiedergabe des § 302 Abs. 1 AktG beinhalten. In Bezug auf eine vergleichbare Vertragsklausel entschied der BFH in einem Aussetzungsbeschluss vom 28. 7. 2010 (Az. I B 27/10, DB 2010 S. 2031
), es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart worden ist.
Am 19. 10. 2010 erging ein BMF-Schreiben zur Vereinbarung der Verlustübernahme bei körperschaftsteuerlicher Organschaft. Danach ist die in der gemeinsamen Verfügung der OFD Rheinland und der OFD Münster aufgegriffene Klausel der Verlustübernahmeverpflichtung nicht zu beanstanden. Das BMF-Schreiben nimmt außerdem Bezug auf die Grundsätze des Aussetzungsbeschlusses vom 28. 7. 2010, die für diesen oder ähnliche Fälle auch im Rahmen der Steuerfestsetzung in allen offenen Fällen anzuwenden sind.
Einer wirksamen Bezugnahme auf § 302 AktG steht gemäß BMF-Schreiben allerdings entgegen, wenn die weiteren Ausführungen erkennbar darauf gerichtet sind, die umfassende Bezugnahme auf § 302 AktG zu relativieren und bestimmte Absätze des § 302 AktG auszuschließen. Von einer erkennbar einschränkenden Vereinbarung sei nur dann auszugehen, „wenn der Wortlaut der Vereinbarung die Einschränkung eindeutig vorsieht oder über den Wortlaut hinaus konkrete weitere Anhaltspunkte vorliegen“.
Jahressteuergesetz 2010
Der Bundesrat hatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2010 um Prüfung gebeten, ob § 17 KStG derart geändert werden sollte, dass lediglich auf das Bestehen einer Verpflichtung zur Verlustübernahme nach § 302 AktG abgestellt wird. Damit wäre das formale und streitanfällige Erfordernis der ausdrücklichen Vereinbarung beseitigt worden. Mittlerweile zeichnet sich allerdings ab, dass der Bundestag die vom Bundesrat angeregte Gesetzesänderung nicht aufgenommen hat. Stattdessen erging am 19. 10. 2010 das bereits angesprochene BMF-Schreiben.
Neue Zweifelsfragen
Die Aufhebung der OFD-Verfügung durch das BMF-Schreiben ist zu begrüßen. Die bislang aufgegriffenen Vertragsklauseln sind nunmehr gemäß BMF-Schreiben auch von der Finanzverwaltung anzuerkennen.
Das BMF-Schreiben beseitigt allerdings nicht alle Zweifelsfragen. Zudem ergeben sich durch die geänderte Verwaltungsauffassung neue Zweifelsfragen. Zunächst in nicht eindeutig, wann der Bereich der „ähnlichen“ und daher steuerlich nicht zu beanstandenden Vertragsklauseln verlassen wird. Zweifelhaft ist beispielsweise, ob Vertragsklauseln, die auf die Vorschriften der §§ 291 ff. AktG verweisen, auf Grundlage des BMF-Schreibens anzuerkennen sind. Zudem ist die im BMF-Schreiben formulierte Ausnahme von grundsätzlich anzuerkennenden Vertragsklauseln unklar. Vertragsklauseln sollen nicht anerkannt werden, wenn eine erkennbar einschränkende Vereinbarung vorliegt. Davon ist auszugehen, „wenn über den Wortlaut hinaus konkrete weitere Anhaltspunkte vorliegen“. Welche Anhaltspunkte gemeint sind, lässt das BMF-Schreiben offen.
Im Ergebnis besteht weiterhin das formale Erfordernis der ausdrücklichen Vereinbarung einer Verlustübernahmeverpflichtung, verbunden mit Zweifelsfragen und dem Risiko einer verunglückten Organschaft. Um Rechtssicherheit und administrative Erleichterungen für Unternehmen zu schaffen, ist eine gesetzliche Änderung nach wie vor notwendig.