Löst BVerfG-Beschluss Beurteilungswandel bei privaten Optionsgeschäften aus?

StB Dipl.-Kfm. Dr. Christian Hick, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Mit dem am 11. 10. 2010 in einem Aussetzungsverfahren ergangenen Kammerbeschluss des 2. Senats hat das BVerfG die langjährige Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Erfassung von Options- und Basisgeschäften im Bereich der privaten Vermögensverwaltung nach Maßgabe der sog. Trennungstheorie und die sich dieser Rechtsprechung anschließende Auffassung der Finanzverwaltung in Frage gestellt. Betroffen sind auch die nach der „alten Rechtslage“ vor Einführung der Abgeltungsteuer geltenden Verlustausgleichsverbote in Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG bzw. § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG. Vor dem Hintergrund der zahlreichen noch offenen Fälle ist die Entscheidung für die Praxis von hoher Relevanz.

Mit dem Beschluss vom 11. 10. 2010 hat das BVerfG den Beschluss des BFH vom 25. 5. 2010 (IX B 179/09, DB0394156) aufgehoben und das Verfahren an den BFH zurückverwiesen (vgl. hierzu auch Hick, Steuerboard vom 17. 8. 2010). Während das FG München mit Beschluss vom 12. 8. 2009 (1 V 1193/09) dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben hatte, hielt der BFH an der in langjähriger Rechtsprechung vertretenen Trennungstheorie fest, die das Optionsbegebungsgeschäft von dem späteren Abschlussgeschäft trennt.

Hieraus folgt, dass das Stillhaltergeschäft und Basisgeschäft kein einheitliches Termingeschäft bilden, sondern die hieraus resultierenden Einkünfte unterschiedlichen Schubladen im Bereich der sonstigen Einkünfte zuzuordnen sind. D.h. das Ergebnis des Stillhaltergeschäfts führt zu Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Muss der Stillhalter den an den Optionskäufer zu liefernden Basiswert innerhalb der Spekulationsfrist erst beschaffen oder einen Barausgleich leisten, werden Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4 EStG) realisiert. Eine Umqualifikation der Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in solche nach § 22 Nr. 3 EStG lehnte der BFH unter Hinweis auf die Gültigkeit der Trennungstheorie ab.

In der Praxis hat die Trennungstheorie zur Folge, dass dem zu versteuernden Gewinn aus dem Stillhaltergeschäft ein Verlust aus dem privaten Veräußerungsgeschäft gegenübersteht. Einer Ergebnisverrechnung im Bereich der sonstigen Einkünfte stehen die Verlustausgleichsverbote im sinne des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG bzw. § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG entgegen, was zu exorbitanten Steuerbelastungen führen kann, die im Verdacht der Verfassungswidrigkeit stehen. Der BFH hat hingegen in seiner ständigen Rechtsprechung die gegen die Trennungstheorie erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt.

Das BVerfG ist nun bei den in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz vorzunehmenden Abwägungsüberlegungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der BFH mit seinem Beschluss vom 25. 5. 2010 das Grundrecht des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Abs. 4 GG) verletzt hat. Es werden aber auch Zweifel in materieller Hinsicht an der in ständiger Rechtsprechung vom BFH vertretenen Trennungstheorie angedeutet, ohne dass eine inhaltliche Detailauseinandersetzung erfolgt. In systematischer Hinsicht sind die vom BVerfG erhobenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Streitfall angefochtenen Steuerbescheide dadurch begründet, dass der Beschluss des BFH vom 25. 5. 2010 außer acht lässt, dass der Steuerpflichtige ein einheitlich zu beurteilendes Optionsgeschäft getätigt hat, das mit dem Eingehen einer Stillhalterposition eröffnet und durch die Lieferung des Basiswerts oder eines Barausgleichs zum Abschluss gebracht wird. Dieses Optionsgeschäft kann aber nicht künstlich in die Tatbestände des § 22 Nr. 3 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4 EStG aufgespalten werden. Wirtschaftlich gesehen ist Gewinn oder Verlust ausschließlich der Differenzbetrag zwischen den beiden Geschäften.

Durch den Übergang zu einem System der Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber ab 2009 die Trennungstheorie durch die Zuweisung sowohl vereinnahmter Stillhalterprämien als auch der Ergebnisse aus verkauften Optionsrechten zu § 20 Abs. 1 Nr. 11 bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG aufgehoben. Im Entscheidungsfall würde allerdings die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG für Verluste im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Verluste aus der Veräußerung von Aktien) eingreifen, so dass die Problematik der Verlustverrechnungsbeschränkung auch im „neuen Recht“ fortbesteht. Hinzukommt, dass die Finanzverwaltung einen Barausgleich der steuerlich nicht beachtlichen Vermögenssphäre zuweist. Damit stellt sich auch im neuen Recht die Frage nach der Wahrung des Grundsatzes der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.

Im Ergebnis sollte der BFH die vom BVerfG erhobenen Zweifel zum Anlass nehmen seine bisherige Rechtsprechung zu überdenken. Hierzu bekommt der BFH bereits in dem zurückverwiesenen AdV-Verfahren die Gelegenheit, falls die Finanzverwaltung nicht abhilft.

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