Besonderheiten ergeben sich in diesem Zusammenhang bei mehrstöckigen Unternehmensstrukturen. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG bestimmt, dass die Verwaltungsvermögensquote auch auf Ebene der Tochtergesellschaften für die Inanspruchnahme der Verschonungsmodelle maßgeblich ist. Demnach sind Anteile an Tochtergesellschaften als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren, wenn bei diesen Gesellschaften der Verwaltungsvermögenstest eine Quote von mehr als 50% ergibt. Insofern ist bei Konzernsachverhalten auf jeder Stufe zu prüfen, ob die jeweiligen Voraussetzungen hinsichtlich des Verwaltungsvermögens für die Inanspruchnahme der Betriebsvermögensbegünstigung vorliegen.
Als Einfallstor für Steuergestaltungsmodelle erweist sich in diesem Zusammenhang die Inanspruchnahme der Optionsverschonung. Zwar darf das Verwaltungsvermögen auf Ebene der Obergesellschaft die 10%-Grenze nicht überschreiten; nach dem Wortlaut des Gesetzes bleibt es für Tochtergesellschaften jedoch trotzdem bei einer Verwaltungsvermögensquote von 50%, die eigentlich aus systematischen Gründen ausschließlich im Rahmen der Regelverschonung Anwendung finden dürfte. Durch entsprechende Umverteilung des aus erbschaftsteuerlicher Sicht „unproduktiven“ Verwaltungsvermögens auf Tochtergesellschaften lässt sich somit auf Ebene der Obergesellschaft der Grenzwert von 10% einhalten, obwohl bei Gesamtbetrachtung des Konzerns beträchtlich mehr Verwaltungsvermögen vorhanden ist.
Dieser sog. „Kaskadeneffekt“ sollte nach dem Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 2010 als „Redaktionsversehen“ beseitigt werden. Zu diesem Zweck war bei der Optionsverschonung eine Ausweitung des 10%-Verwaltungsvermögenstests auf alle Konzernebenen geplant. Die entsprechende Gesetzesänderung ist allerdings vom Bundestag auf Empfehlung des Finanzausschusses hin nicht beschlossen worden. Der Gesetzgeber hat sich also gegen eine Verschärfung der Verwaltungsvermögensquote auf Ebene der Tochtergesellschaft und für den Kaskadeneffekt ausgesprochen. Infolge der (mittelbaren) Bestätigung der ursprünglichen Regelung dürfte jedenfalls die bislang teilweise vertretene Auffassung, dass es sich lediglich um ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen handele, nicht mehr vertretbar sein.
Über die Gründe, weshalb der Finanzausschuss in letzter Minute die Beibehaltung der bisherigen Obergrenze für das Verwaltungsvermögen von Tochtergesellschaften empfohlen hat, lässt sich bislang nur spekulieren. M.E. bringt der Gesetzgeber exemplarisch zum Ausdruck, dass er nach Jahren der Rechtsunsicherheit im Erbschaftsteuerrecht neue Wege, nämlich die der Rechtssicherheit und Beständigkeit von Normvorschriften, beschreiten möchte. Der Vertrauensschutz des einzelnen Steuerpflichtigen in die erbschaftsteuerliche Gesetzgebung soll offensichtlich wieder gestärkt werden. Natürlich ist es nicht abzustreiten, dass steuersystematische Gründe für eine Verschärfung der Verwaltungsvermögensquote bei Tochtergesellschaften sprechen; nicht zu vergessen ist jedoch die sozialpolitische Verantwortung des Gesetzgebers bei solchen Entscheidungen.
Konzerne, die möglicherweise von dem „Kaskadeneffekt“ profitieren und ihre Unternehmensstruktur seit Bestehen der Regelung auf diese abgestimmt haben, würden im Fall einer Verschärfung der Verwaltungsvermögensquote unter Umständen in empfindlicher Weise mit Erbschaftsteuer belastet werden, wenn nicht eine erneute Umstrukturierung erfolgen würde. Dies hätte ggf. eine erhebliche Liquiditätseinbuße und damit einhergehend den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit zur Folge, nicht zuletzt könnten Arbeitsplätze gefährdet werden. Diese wichtigen Gemeinwohlbelange rechtfertigen m. E. die Beibehaltung der unterschiedlichen Grenzwerte des im Rahmen der Optionsverschonung noch zulässigen Verwaltungsvermögens auf Ebene der Ober- und Tochtergesellschaft.