Dass sich der Vorgang der Entstrickung spiegelbildlich zu dem der Verstrickung darstellen sollte, erschließt sich bereits aus der Wortverwandtschaft. Ent- und Verstrickung sind als zwei Seiten einer Medaille zu sehen. Dies sollte grundsätzlich auch im Internationalen Steuerrecht gelten, namentlich bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen innerhalb eines Unternehmens.
Bei genauer Betrachtung zeigen sich allerdings Asymmetrien, die auf ein Neues den gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich der Entstrickung verdeutlichen. Deutschland favorisiert das Modell der Sofortversteuerung. Im Moment des Grenzübertritts, soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Besteuerung mit dem gemeinen Wert erfolgen. Das ist weder mit dem Realisationsprinzip, noch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Auch kann nur in bestimmten Fällen nach § 4g EStG ein Ausgleichsposten gebildet werden. Da dieser über einen Zeitraum von 5 Jahren gewinnerhöhend aufzulösen ist, hat der Gesetzgeber auch an dieser Stelle das Realisationsprinzip nicht hinreichend berücksichtig. Als Beispiel für eine geglückte Regelung der Entstrickung dient dabei – wieder einmal – Österreich. Nach § 6 Z 6 EStG (Österreich) löst die Überführung von Wirtschaftsgütern innerhalb eines Betriebes desselben Steuerpflichtigen in den EU-/EWR-Raum keine unmittelbare Steuerzahlungspflicht aus. Erst zu dem Zeitpunkt, in welchem eine Realisation am Markt erfolgt, ist der Wertzuwachs in Gestalt stiller Reserven zu versteuern. Dies wird dadurch erreicht, dass bei Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte ein Ausgleichsposten gebildet wird. Dieser erfasst auch die entstandenen stillen Reserven, so dass es im Zeitpunkt der Überführung zu keiner Besteuerung kommt. Der Ausgleichsposten wird erst in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem das Wirtschaftsgut durch die Betriebsstätte veräußert wird; spätestens jedoch mit Eintritt der Festsetzungsverjährung nach 10 Jahren. Diese Vorgehensweise stellt eine erfolgsneutrale Behandlung des Überführungsvorgangs ebenso sicher, wie es eine vorzeitige Gewinnrealisierung verhindert.
Wird dagegen ein Wirtschaftsgut in Deutschland steuerverstrickt, erfolgt dies nach § 4 Abs. 1 S. 7 EStG i.V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG mit dem gemeinen Wert. Das übertragene Wirtschaftsgut wird ungeachtet eines möglichen Aktivierungsverbots nach § 5 Abs. 2 EStG bilanziert und abgeschrieben. Dem Realisationsprinzip entsprechend, wird auf diese Weise bei einer späteren Realisierung „nur“ die ab dem Überführungszeitpunkt in Deutschland neu entstehenden stillen Reserven besteuert. Im Gegensatz zu dem deutschen Entstrickungstatbestand findet eine Verstrickung allerdings nur bei einer Überführung des Wirtschaftsguts, nicht schon bei einer Nutzung eines Wirtschaftsguts durch eine deutsche Betriebsstätte statt. Der Verstrickungstatbestand bleibt insoweit hinter dem der Entstrickung zurück, als dass nur der Fall der Begründung des Besteuerungsrechts erfasst ist. Der Fall der „Stärkung“ des Besteuerungsrechts als Spiegelbild zu der „Beschränkung“ wurde vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Die Verstrickung erfasst so nur Fälle, in denen zuvor kein deutsches Besteuerungsrecht bestand.
Sowohl die Ent- als auch die Verstrickungsregelungen weisen Brüche auf. Ein Blick nach Österreich zeigt, dass sehr wohl möglich ist, eine systemkonforme Regelung zu gestalten die zudem mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Die lückenhafte deutsche Regelung bietet allerdings auch Gestaltungschancen, wenn man sie geschickt mit dem österreichischen Recht kombiniert. Mehr dazu in der kommenden Woche.