Die Grundsteuer ist reformbedürftig – aber wie?

Die Grundsteuer in Deutschland ist reformbedürftig. Hauptkritikpunkt ist der Bezug der Bemessungsgrundlage auf die Einheitswerte von 1964 (bzw. 1935 in den neuen Bundesländern). Der BFH hält in seiner Entscheidung vom 30. 6. 2010 (BFH-Urteil – II R 60/08, DB 2010 S. 1738) die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Bewertung des Grundvermögens zumindest für Stichtage nach dem 1. 1. 2007 für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG an eine realitätsgerechte Bewertung. Ausdrücklich mahnt er die Anpassung der unterschiedlichen Wertansätze an. Gleichzeitig gilt die Neuberechnung der Einheitswerte in ihrer derzeitigen Form als kompliziert, streitanfällig und teuer, sodass eine umfassende Neukonzeption der Grundsteuer wahrscheinlich erscheint.

Seit Längerem werden Konzepte für die künftige Ausgestaltung der Grundsteuer diskutiert. Soweit ersichtlich, haben sich fünf Konzepte zur Reform der Bemessungsgrundlage herauskristallisiert.

Eine reine Flächensteuer ohne jegliche Wertkomponente sieht der Vorschlag der Arbeitsgruppe der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen vor. Das von Gebäude- und Bodenwerten unabhängige Reformmodell basiert auf einer Bemessungsgrundlage, die sich durch Multiplikation von Flächenbezugsgrößen mit nutzungsartabhängigen Äquivalenzzahlen ergibt. Konkret ist vorgesehen, die unbebaute Grundstücksfläche mit einer Äquivalenzzahl von 0,02 € je Quadratmeter zu multiplizieren. Die entsprechenden Äquivalenzzahlen je Quadratmeter für zu Wohnzwecken genutzte Gebäudeflächen sollen sich auf 0,20 € bzw. 0,40 € für nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäudeflächen belaufen.

Im Gegensatz zur Flächensteuer stehen Modelle, die eine Bewertung von Grundstücken zu Verkehrswerten vorsehen. Hierfür stehen mit dem Ertragswert-, dem Sachwert- sowie dem Vergleichswertverfahren im Grundsatz drei Methoden zur Approximation der Verkehrswerte zur Verfügung. Während das auch vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in einer am 11. 1 . 2011 veröffentlichten Stellungnahme (abrufbar über die Homepage des BMF) befürwortete Ertragswertverfahren die schematisierten Reinerträge (insbes. Mieten) aus dem zu bewertenden Grundstück kapitalisiert, leitet das Sachwertverfahren den Marktwert eines Grundstücks aus den verkörperten Sachwerten, d. h. aus den für die Wiederbeschaffung erforderlichen Herstellungs- und Anschaffungskosten, ab. Beim Vergleichswertverfahren, das durch den Vorschlag einer Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung Bremens in die Diskussion eingebracht wurde, wird der Verkehrswert der Grundstücke über einen Abgleich mit am Immobilienmarkt realisierten Transaktionen approximiert. Konkret soll ein typisierendes Massenbewertungsverfahren mittels mathematisch-statistischer Methoden die wesentlichen Charakteristika der zu bewertenden Grundstücke (Grundstücksgröße, Lage, Nutz- bzw. Wohnfläche, Baujahr etc.) mit den am Markt beobachteten Vergleichsfällen (Auswertungen der Kaufpreissammlung) verknüpfen.

Zwischen der reinen Flächensteuer und der Besteuerung zum Verkehrswert ist der Vorschlag der Länder Bayern und Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2004 einzuordnen. Grundsätzlich definiert dieses Modell die grundsteuerliche Bemessungsgrundlage als eine ausgewiesene Kombination aus Boden- und Gebäudewert. Die Bewertung des Grund und Bodens basiert dabei auf Bodenrichtwerten, die unter Berücksichtigung von Abschlägen für bebaute Grundstücke durch die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte bereitzustellen sind. Der Gebäudewert bestimmt sich schließlich auf der Grundlage typisierender bundeseinheitlicher Festwerte je Quadratmeter Wohn- bzw. Nutzfläche. Die Festwerte werden nach Gebäudegruppen pauschal differenziert; eine Approximation des individuellen Verkehrswertes wird somit nicht angestrebt.

Schließlich findet sich der Vorschlag einer reinen Bodenwertsteuer, wonach die Bemessungsgrundlage ausschließlich Grund und Boden einbezieht, nicht aber etwaige darauf errichtete Gebäude. Die Bemessung des Bodenwertes erfolgt dabei auf der Basis von Bodenrichtwerten.

Der Blick nach Europa zeigt eine weite Bandbreite unterschiedlicher Verfahren der Grundbesitzbewertung. Gerade in Osteuropa, wo im Rahmen der ökonomischen Transformationsprozesse auch die Besteuerungsregime neu geregelt wurden, dominieren zum einen die Flächensteuersysteme. Zum anderen finden sich aber auch statistische Verfahren der Massenbewertung mit dem Ziel einer Verkehrsbewertung. Die Frage der Erhebungskosten ist dabei für alle Länder relevant.

Eine kürzlich veröffentlichte vergleichende Analyse (Spengel/Heckemeyer/Zinn, DB 2011 S. 10 ff.) zeigt jedoch, dass dort, wo – selbst unter Rückgriff auf moderne Verfahren – marktnah bewertet wird, die Bedeutung der Grundsteuer mit Blick auf die Gesamtsteuerbelastung tendenziell hoch ist. Deutschland nimmt dabei hinsichtlich der Belastungswirkung der Grundsteuer im internationalen Vergleich einen Platz im Mittelfeld ein. Gleiches gilt für Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich und Zypern, deren Bewertungspraxis ebenfalls an in der Vergangenheit liegenden Wertverhältnissen anknüpft.  Abschließend zeigt der internationale Vergleich, dass die Grundsteuerbelastung in Deutschland ansteigen würde, falls die Bewertung wie nach den Vorstellungen des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF künftig auf Verkehrswerten basiert und nicht gleichzeitig Steuermesszahl und / oder Hebesätze aufkommensneutral reduziert würden. So fordert denn auch der Beirat, dass die Grundsteuerreform bei einer erhöhten Bemessungsgrundlage aufkommensneutral erfolgen sollte. Eine Bereitschaft der Politik zur Reduzierung des Steuersatzes ist indes zu bezweifeln.

Festzuhalten ist, dass alle in der Diskussion befindlichen Modelle auf eine im Vergleich zum Status Quo vereinfachte und transparentere Belastungsermittlung ausgelegt sind. Dies würde die Erhebungskosten der Grundsteuer in einem vertretbaren Rahmen halten. Zentrale Unterschiede betreffen die Berücksichtigung einer Wertkomponente in der grundsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Die nutzenadäquate Beteiligung der Steuerzahler an der Finanzierung wesentlicher kommunaler Aufgaben, insbesondere Verwaltung und örtliche Infrastruktur, durch die Grundsteuer ist im Grundsatz erstrebenswert und verlangt die Bemessung zum Verkehrswert. Indes gibt es, wie die Vergangenheit lehrt, einen inhärenten Zielkonflikt zwischen marktnaher Steuerbemessung, soweit überhaupt erreichbar, und beherrschbaren Erhebungskosten. Vor diesem Hintergrund sind die Vorzüge stark pauschalisierender Modelle, insbesondere der reinen Flächensteuer, nicht von der Hand zu weisen. Das Äquivalenzprinzip wird hier auf die Zuweisung der Kosten, nicht des Nutzens, kommunaler Leistungen beschränkt. Dies kann jedoch zu Verzerrungen bei der Leistungsbereitstellung führen. Im internationalen Vergleich sind diese Verfahren durchaus gebräuchlich.

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