Zur Sinnhaftigkeit von Sondervergütungen bei Personengesellschaften

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei FGS, Bonn

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei FGS, Bonn

Die Personengesellschaftsbesteuerung in Deutschland zeigt „vielfältige Blüten“, die aus internationaler Sicht häufig recht „eigenwillig“ erscheinen. Sondervergütungen, die eine Personengesellschaft an ihren Gesellschafter leistet – der Steuerrechtler spricht von Mitunternehmerschaft und ihren Mitunternehmern – sind ein klassisches Beispiel dafür: Sie mindern zwar als Tätigkeitsvergütungen, Darlehenszinsen oder Mietaufwendungen einerseits den Steuerbilanzgewinn der Personengesellschaft; auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe werden sie dann aber wieder hinzugerechnet und der Gewerbesteuer unterworfen. So sieht es § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor.

Die vom Gesellschafter überlassenen Vermögenswerte gehören ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Zuordnung zum (positiven) Sonderbetriebsvermögen; mit der Personengesellschaftsbeteiligung verbundene Schulden beispielsweise bilden (negatives) Sonderbetriebsvermögen. Schon die Begrifflichkeiten verdeutlichen die steuerliche „Sonder-“ Situation der Personengesellschaft. Dies alles führt zu einer „steuerbedingten“ Entfremdung der Rechtsnatur einer Personengesellschaft vom Zivilrecht und hat seine historischen Wurzeln in der aus heutiger Sicht wohl überkommenen „Vorstellungswelt“ der Gleichbehandlung von Einzelunternehmer und Mitunternehmer.

Der gerade emsig um Vereinfachung im Steuerrecht bemühte Gesetzgeber sollte einmal darüber nachdenken, ob das höchst nuancenreiche Sondervergütungs-/Sonderbetriebsvermögensregime in Zeiten typisierter Gewerbesteueranrechnung gemäß § 35 EStG bei einer natürlichen Person als Mitunternehmer und breiter Capital Gains Erfassung privater Immobilien- und Wertpapierbestände wirklich noch Sinn macht. Ein umfassender Bestandschutz für Altfälle muss dabei natürlich gewährleistet sein. Als Besteuerungspraktiker muss man dessen ungeachtet weiterhin mit den Sonderphänomenen der Personengesellschaftbesteuerung leben!

Dilemma grenzüberschreitender Sondervergütungen

Besonders deutlich sichtbar werden die auftretenden Verwerfungen der Personengesellschaftsbesteuerung bei grenzüberschreitenden Sondervergütungen, wie etwa die Lizenz-, Zins- oder Pensionszahlungen einer inländischen Personengesellschaft an ihren im Ausland ansässigen Gesellschafter (so genannte Inbound-Fall). In den meisten ausländischen Rechtsordnungen sind derartige Sondervergütungen unbekannt; die meisten DBAs qualifizieren sie entsprechend ihrem Vergütungsinhalt (Ausnahmen etwa für Österreich und die Schweiz). Folge daraus ist: Das inländische Besteuerungsrecht geht verloren, der ausländische Staat darf besteuern. Bei Zinszahlungen könnte die inländische Zinsschrankenbegrenzung (§ 4 h EStG, § 8 a KStG) unterlaufen werden, weil nach inländischer Betrachtung keine Abziehbarkeit gegeben ist, was dann allerdings doppelbesteuerungsrechtlich unterlaufen wird. Tz. 19 des BMF-Schreibens zur Zinsschranke vom 4. 7. 2008 nimmt deshalb – allerdings höchst rechtsproblematisch – nur inländische Sondervergütungen aus der Zinsschranke heraus.

Ungeachtet dessen entsteht ein inländischer Besteuerungszugriff im Outbound-Fall bei fehlendem ausländischen Sondervergütungsverständnis. Die „Steuerrechtsbeurteilung“ ist also ziemlich verworren: Die Finanzverwaltung geht laut BMF-Schreiben vom 16. 4. 2010 im Inbound-Fall grenzüberschreitender Sondervergütungen von einem bestehenden inländischen Besteuerungsrecht aus (Tz. 5.1 sowie Tz. 2.2.1); der BFH sieht dies in ständiger Rechtsprechung für In- und Outbound-Fälle anders.

Nun sollte § 50d Abs. 10 EStG – rückwirkend eingeführt durch das JStG 2009 vom 19. 12. 2008 bezogen auf sämtliche offenen Fälle – das inländische Besteuerungsrecht gesetzlich absichern und damit die Sichtweise des Fiskus „klarstellen“. Durch eine als Treaty Override ausgestaltete Regelung war geplant, die DBA-Qualifikation als Unternehmensgewinn im Sinne des Art. 7 OECD Musterabkommen festzuschreiben; dadurch sollte das Sondervergütungskonzept „DBA fest“ werden durch eine einseitige innerstaatliche Regelung. Nicht in § 50d Abs. 10 EStG durch die Fiktion kodifiziert wurde allerdings das systemnotwendige Erfordernis, dass die betroffenen „Sonderwerte“ auch tatsächlich funktional zur inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören müssen. Dieses gesetzgeberische Manko hat sich nun als für die Anwendbarkeit des § 50d Abs. 10 EStG verhängnisvoll herausgestellt. Denn der I. Senat hat in einem „Doppelschlag“ dem Gesetzgeber die „Leviten gelesen“.

Zunächst wurde im BFH-Urteil vom 8. 9. 2010 (I R 74/09, DB 2010 S. 2654) der „Anwendungsbefehl“ des § 50d Abs. 10 EStG für eine Lizenzzahlung einer inländischen Personengesellschaft ins Ausland als „leerläufig“ qualifiziert. Das autonome Abkommensverständnis erfordert die Zurechnung des Lizenzrechts zu einer Inlandsbetriebsstätte; dieser Zurechnungstatbestand muss faktisch vorliegen und war im Streitfall nicht erfüllt. Im Wege einer richterlichen Auslegung war diese gesetzliche Unschärfe nicht zu bereinigen. Ich stimme dem zu.

Im BFH-Beschluss vom 8. 11. 2010 (I R 106/09, DB 2011 S. 32) kommt es nun für den Gesetzgeber noch schlimmer; denn der BFH hat kurz und bündig für eine Pensionszahlung an einen in den USA ansässigen ehemaligen Kommanditisten/Geschäftsführer der Komplementär GmbH ebenfalls den deutschen Besteuerungszugriff trotz § 50d Abs. 10 EStG versagt. Grund dafür ist: Auf die Erweiterung der Sondervergütungsregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf nachträgliche Einkünfte nimmt § 50d Abs. 10 EStG tatbestandlich (und zwar eindeutig) gerade keinen Bezug. Die Umqualifizierung in Sondervergütungen für § 50d Abs. 10-Zwecke läuft deshalb – ungeachtet ihrer ohnehin bestehenden Anwendungsfragen (Rückwirkung, Treaty Override, Zurechnung zur Inlandsbetriebsstätte) – schon aus Gründen des klaren Gesetzeswortlauts leer. Gesetzgeber und Fiskus werden sich ärgern; die Schuld daran trifft aber nicht den I. Senat des BFH, der „nur“ seine Auslegungsaufgaben sachgerecht wahrgenommen hat. Der Gesetzgeber sollte zukünftig mehr Sorgfalt beim „Regelungsdesign“ walten lassen.

Neuregelung des Sondervergütungsregimes

Was bleibt zu tun? Der Gesetzgeber sollte zunächst einmal seine Bereitschaft zur Bereinigung der Sondervergütungen insgesamt prüfen. Dabei könnten inländische und grenzüberschreitende Probleme gemeinsam bereinigt werden. Geht ihm dies zu weit, muss zumindest § 50d Abs. 10 EStG nachgebessert, besser abgeschafft werden. Ob durch eine Abschaffung wirklich Fiskalschäden entstehen ist in Anbetracht seiner diametralen Wirkungsweise in Inbound- und Outbound-Fällen meines Erachtens durchaus nicht sicher und sollte sorgsam analysiert werden. Das DBA-Anwendungsschreiben vom 16. 4. 2010 gehört unter Sondervergütungsaspekten ebenfalls auf den Prüfstand. Zumindest bei laufenden oder anstehenden DBA-Verhandlungen sollten in die Abkommen selbst Regelungen aufgenommen werden; völker- und verfassungsrechtsproblematische Treaty Overrides würden dann insoweit nicht mehr auftreten.

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