Nun ist es amtlich. Die Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG, die bei Körperschaften den Untergang der Verlustvorträge im Fall der Sanierung verhindern sollte, wurde von der Europäischen Kommission am 26. 1. 2011 als unerlaubte Beihilfe gebrandmarkt. Damit hat sich das Beihilfeverbot wieder einmal als scharfes Schwert der EU erwiesen und im Ergebnis den Kreis der unter das Verlustabzugsverbot fallenden Sachverhalte wieder deutlich ausgeweitet. Im Gegensatz zu dem ebenfalls als unerlaubte Beihilfe qualifizierten § 8c Abs. 2 KStG, der die von Untergang bedrohten Verluste für einen kleinen Kreis von Gesellschaften innerhalb von fünf Jahren retten wollte, sind die Rechtsfolgen diesmal jedoch fatal. § 8c Abs. 2 KStG war nämlich nie in Kraft getreten. Die Bundesregierung hatte diese Sonderregelung für bestimmte Wagniskapitalbeteiligungen der EU-Kommission vorab zur Genehmigung vorgelegt, dafür aber keine Genehmigung erhalten.
Bei der Sanierungsklausel, die als Reaktion auf die Finanzmarktkrise in Rekordzeit verabschiedet wurde, verzichtete der Gesetzgeber auf eine solche Genehmigung, da zunächst niemand auch nur entfernt an das Beihilfeverbot gedacht hatte. Die Folgen des jetzt nachträglich ergangenen Verbots sind daher umso einschneidender und noch lange nicht verdaut. Die Entscheidung der Kommission wirkt absolut: alle bereits gewährten Begünstigungen sind nachträglich zurückzufordern, selbst wenn eine verbindliche Auskunft erteilt wurde. Ein Vertrauensschutz besteht insoweit nicht. Im Klartext heißt dies, dass nun bei jeder Sanierung, bei der § 8c Abs. 1a Anwendung fand, die Verlustvorträge nachträglich wegfallen.
Der Steuerminderungseffekt der erhaltenen Verluste dürfte aber in vielen Fällen letztlich entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der Sanierung sein. Ohne Verlustvortrag fehlt die dringend benötigte Liquidität. Was damals ein Liquiditätsvorteil war, kehrt sich jetzt in einen massiven Liquiditätsnachteil um. Der Umstand, dass die damalige Aufnahme neuer Investoren nun nachträglich zum Verlustuntergang führt, dürfte in einigen Fällen bedeuten, dass die Sanierung sinnvoll und erfolgreich gewesen wäre, nun aber – aus fiskalischen Gründen – scheitert.
Für Deutschland und die Steuerpflichtigen, die von der Unzulässigkeit der Sanierungsklausel betroffen sind, verbleibt nur die Möglichkeit vor den EuGH zu ziehen. Ob hier mit einem Erfolg zu rechnen ist, erscheint allerdings sehr fraglich. Auch wenn die Begründung der EU-Kommission, die Sanierungsklausel weiche vom allgemeinen Grundsatz des Verlustuntergangs bei einem Eigentümerwechsel ab, zumindest für die Fassung des § 8c KStG nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht so recht zu überzeugen vermag. Schließlich bleiben Verluste auch bei der Konzernklausel gänzlich und bei Anwendung der stillen Reserven-Regelung zumindest teilweise erhalten. Referenzsystem – und damit Entscheidungsgrundlage – bildet dennoch die ursprüngliche Fassung des § 8c KStG vor Einführung der Sanierungsklausel – ohne die gerade zitierten Ausnahmetatbestände.
Es ist tragisch, dass die Entscheidung ausgerechnet sanierungsbedürftige Gesellschaften dermaßen heftig trifft. Gerade wenn sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, ist Rechtsicherheit ein wichtiges Gut. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an das unwürdige Ringen um die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses. Es wäre zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Situation zum Anlass nimmt, die krisenverschärfenden Normen des deutschen Steuerrechts noch einmal gründlich zu überdenken. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.