Nach seinen jüngsten Entscheidungen zu den inhaltlichen Anforderungen an Verlustübernahmeklauseln in Ergebnisabführungsverträgen entsprechend § 302 AktG bestätigte der BFH in einem Beschluss vom 22. 12. 2010 (I B 83/10, DB 2011 S. 212) in einem AdV-Verfahren seine strenge Linie. Der BFH entschied, dass es nicht ernstlich zweifelhaft sei, dass eine ertragsteuerliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft die Vereinbarung der Verjährungsregelung entsprechend § 302 Abs. 4 AktG voraussetzt. Indes bedürfe es keiner Vereinbarung einer Regelung gemäß § 302 Abs. 2 AktG.
In dem zur Beurteilung stehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der nach dem 1. 1. 2006 abgeschlossen wurde, hatte sich die Organträgerin zum Ausgleich der bei der Organgesellschaft entstehenden Jahresfehlbeträge „entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 AktG“ verpflichtet. Das Finanzamt negierte das Zustandekommen einer körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft, da es an der Vereinbarung einer Verjährungsregelung entsprechend § 302 Abs. 4 AktG fehlt. Vor dem FG Sachsen-Anhalt hatten die zuvor vom Finanzamt abgelehnten AdV-Anträge noch Erfolg. Der Beschluss des FG Sachsen-Anhalt kann als weiterer Versuch gewertet werden, an den in der Praxis als zu streng empfundenen Anforderungen an die Voraussetzungen einer Verlustübernahmevereinbarung „zu rütteln“.
Nach dem Urteil vom 3. 3. 2010 (I R 68/09, DB0362517), mit welchem der BFH das sog. „Rüttelurteil“ des FG Köln vom 13. 5. 2009 (13 K 4779/04, DB0333834) aufhob, konnte mit einer Aufweichung der strengen Anforderungen nicht mehr ernstlich gerechnet werden. Das FG Köln hatte entschieden, dass die steuerliche Anerkennung einer Organschaft im GmbH-Vertragskonzern entgegen § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG keine ausdrückliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 302 Abs. 1 und 3 AktG voraussetze. Das BVerfG hatte eine gegen dieses BFH-Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 31. 8. 2010 – 2 BvR 998/10).
Mit dem vorliegenden Beschluss liegt eine weitere BFH-Entscheidung zum Erfordernis der Vereinbarung einer Verjährungsregelung entsprechend § 302 Abs. 4 AktG vor, welche die Diskussion abschließen dürfte. Bereits mit Beschluss vom 28. 7. 2010 (I B 27/10, BStBl. II 2010 S. 932 = DB 2010 S. 2031; berichtigt durch Senatsbeschluss vom 15. 9. 2010 – I B 27/10, BStBl. II 2010 S. 935 = DB 2010 S. 2145) hatte der BFH entschieden, dass eine Verlustübernahmevereinbarung auch § 302 Abs. 4 AktG umfassen müsse.
Das FG Sachsen-Anhalt begründete seine Entscheidung im aktuellen Fall damit, dass die steuerliche Anerkennung eines Ergebnisabführungsvertrags vor Einführung des § 302 Abs. 4 AktG durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts mit Wirkung vom 15. 12. 2004 keine Vereinbarung zur Verjährung erfordert habe. Es bestehe kein sachlicher Grund, dies nach der Einführung anders zu sehen. Der BFH hält dem entgegen, es handele sich bei der zehnjährigen Frist des § 302 Abs. 4 AktG um eine den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regelungen vorgehende spezifische Regelung, die zweifelsohne Bestandteil des § 302 AktG ist und deshalb nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG der Aufnahme in den Ergebnisabführungsvertrag bedarf. Es gilt in diesem Kontext zu beachten, dass die Finanzverwaltung die Vereinbarung von § 302 Abs. 4 AktG nur für Verträge fordert, die nach dem 1. 1. 2006 abgeschlossen wurden (BMF-Schreiben vom 16.12.2005 (IV B 7 – S 2770 – 30/05, BStBl. I 2006 S. 12 = DB 2005 S. 27).
Auch das Argument des FG Sachsen-Anhalt, dass die Rechtsprechung auch nicht die Einbeziehung des § 302 Abs. 2 AktG in den Ergebnisabführungsvertrag erfordere, weist der BFH zur Klarstellung gleich mit ab. § 302 Abs. 2 AktG ist für die ertragsteuerliche Organschaft nach Auffassung des BFH grundsätzlich nicht beachtlich. Sie bezieht sich lediglich auf die (Ausnahme-)Fälle der Verlustübernahme bei einem Betriebspacht- und -überlassungsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG.
Nach diesem Beschluss dürfte sich ein weiteres „Rütteln“ an den streng formalen Erfordernissen an die Verlustübernahmevereinbarung erledigt haben. Mandanten und Berater sollten nun wissen, worauf Sie zu achten haben.