E-Bilanz: Startschuss zur Pilotphase – Distanz und Streckenverlauf unbekannt

WP/StB/CPA (U.S.) Dipl.-Kfm. Sven Fuhrmann, Partner bei Deloitte in Frankfurt/M.

Mit dem Steuerbürokratieabbaugesetz im Jahr 2008 wurde die Verpflichtung zur Übermittlung von (Steuer-)Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz (sog. Taxonomie) durch Datenfernübertragung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2010 beginnen, durch den Gesetzgeber begründet. Erst knapp zwei Jahre später, im Jahr 2010, hat die Finanzverwaltung den ersten Entwurf des Aufbaus und Umfangs einer sog. allgemeinen Taxonomie veröffentlicht. Die branchenspezifischen Taxonomien (z. B. für Banken, Versicherungen, Wohnungsbauunternehmen) wurden bis dato noch nicht durch die Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt. Gegenstand der Diskussion in zahlreichen Stellungnahmen war somit nur die allgemeine Taxonomie.

Im Wesentlichen wird kritisiert, dass (i) der Umfang, der von der Finanzverwaltung definierten allgemeinen Taxonomie, weit über die gesetzliche Intension (Ersatz von Papier durch elektronische Daten) hinausgeht und es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, (ii) die Finanzverwaltung die Verpflichtung hat, jedem Steuerpflichtigen entsprechende Tools (analog zur ELSTER-Schnittstelle) zur Verfügung zu stellen, damit dieser seine gesetzlichen Deklarationspflichten erfüllen kann , (iii) Daten nunmehr erstmalig zu erheben sind, die keine steuerliche Relevanz haben (z.B. ausländische Freistellungsbetriebsstätten), (iv) sich verschiedene Sachverhalte nicht zutreffend in der allgemeinen Taxonomie abbilden lassen (u.a. die ertragsteuerliche Organschaft, Umwandlungsvorgänge mit steuerlicher Rückwirkung) (v) den Steuerpflichtigen nicht ausreichend Zeit verbleibt, um die entsprechenden Organisationsabläufe und die IT-Landschaft an die neuen Anforderungen anzupassen. 

Der Gesetzgeber hat durch die Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung vom 22.12.2010 die Verpflichtung zur Übermittlung von (Steuer-)Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung um ein Jahr auf Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2011 beginnen, verschoben. Ausweislich der Verordnungsbegründung soll durch die Verschiebung des erstmaligen Anwendungszeitpunkts sichergestellt werden, dass alle technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine reibungslose Einführung der E-Bilanz durch den Steuerpflichtigen geschaffen werden können. Im Rahmen eines Pilotprojektes soll der Taxonomie-Umfang überprüft werden. Die endgültige allgemeine Taxonomie wurde hierzu mit BMF-Schreiben vom 16.12.2010 veröffentlicht.

Am 18.1.2011 hat das BMF die an der Pilotphase teilnehmenden Steuerpflichtigen über das Vorgehen in der Pilotphase vom  1.2.2011 bis 30.4.2011 informiert. Die Finanzverwaltung ist derzeit nur bereit auf die von Steuerpflichtigen im Rahmen der Pilotphase anhand von praktischen Beispielen nachgewiesenen Probleme im weiteren Verfahren einzugehen. Eine allgemeine theoretische Diskussion sei nicht mehr beabsichtigt. Die Pilotphase wird nach den derzeitigen Planungen im Mai 2011 durch die Finanzverwaltung ausgewertet. Die Ergebnisse der Pilotphase sollen anschließend zeitnah veröffentlicht werden.  Von den an der Pilotphase teilnehmenden Steuerpflichtigen wurde im Rahmen der Anhörung am 18.1.2011 nachdrücklich kritisiert, dass derzeit am Markt praktisch keine Softwarelösung verfügbar ist, um den von der Finanzverwaltung eingesetzten Elster Rich Client testen zu können.

Der Elster Rich Client stellt sicher, dass eine elektronische Datenübermittlung an die Finanzverwaltung nur möglich ist, sofern ein entsprechender Mindestdatensatz übermittelt wurde und verschiedene Plausibilitätskontrollen bestanden wurden. Angesichts der technischen Rahmenbedingungen kann nicht von einer echten Pilotphase gesprochen werden. Eine Verlängerung der Testphase scheint unausweichlich, sofern diese nicht nur auf dem Papier stattfinden soll. Die Steuerpflichtigen sollten während und nach der Pilotphase nicht Müde werden, in Frage zu stellen, ob der durch die Finanzverwaltung definierte Mindestumfang der Taxonomie tatsächlich eine gesetzliche Grundlage hat. Die Finanzverwaltung ist aufzufordern, technische Lösungen zur elektronischen Datenübermittlung zur Verfügung zu stellen. Es kann nicht Aufgabe eines Steuerpflichtigen sein, Softwarelösungen auf eigene Kosten für die Finanzverwaltung zu entwickeln, damit dieser seine Steuerdeklarationspflichten erfüllen kann.

Unabhängig vom weiteren Verlauf der Pilotphase sollte sich jeder Steuerpflichtige zeitnah mit der E-Bilanz intensiv beschäftigen, da nicht unerhebliche Eingriffe in die Organisationsabläufe und IT-Landschaft zu erwarten sind. Wie problematisch die praktische Umsetzung sein kann, zeigt ein Blick nach Großbritannien. Obwohl die Anforderungen der britischen Finanzverwaltung hinsichtlich des Mindestumfangs der elektronisch zu übermittelnden Daten deutlich geringer sind, bitten die  Steuerberater- und Wirtschaftsprüferverbände Großbritanniens jüngst in einem Brandbrief trotz einer fast zwei jährigen Vorlaufzeit nach Veröffentlichung der Taxonomie, um eine Verschiebung des für den 1.4.2011 vorgesehenen Einführungsdatums zur “E-Bilanzverpflichtung“ um mindestens 6 Monate, da es ansonsten als unwahrscheinlich gilt, dass die Steuerpflichtigen ihre Steuerdeklarationspflichten erfüllen können.

Kommentare sind geschlossen.