Seit nunmehr fast zehn Jahren arbeitet die für Steuern und Zollunion zuständige Generaldirektion der EU-Kommission, unterstützt von einer Arbeitsgruppe aus Experten aller 27 EU-Mitgliedsländer, an der Schaffung einer “Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuerlichen Bemessungsgrundlage“ (GKKB). Nach einer mehr als zweijährigen Pause tagte am 20. 10. 2010 die zuständige Arbeitsgruppe wieder in Brüssel. Im Anschluss hat die EU-Kommission das GKKB-Projekt offiziell in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen. Ziel ist es, dass im März 2011 der EU-Kommission ein Richtlinienentwurf vorgelegt wird, der die Basis für die weiteren Beratungen im EU-Rat bilden soll. Dem Vernehmen nach sollen die Arbeiten an dem Richtlinienentwurf weitestgehend abgeschlossen sein.
Das im Richtlinienentwurf enthaltene GKKB-Modell nimmt eine dreistufige Ermittlung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage vor: (i) jede Konzerneinheit bestimmt einzeln nach einheitlichen Vorschriften ihr laufendes Ergebnis, (ii) Zusammenfassung der Einzelergebnisse zu einem konsolidierten Konzernergebnis, (iii) das konsolidierte Ergebnis wird mittels gewichteter Schlüsselgrößen (z. B. anhand der Faktoren Arbeit, Kapital, Vermögenswerte und Umsatz) formelhaft auf die Konzerngesellschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten verteilt. Die Mitgliedstaaten legen ihre eigenen Steuersätze selbst fest.
Als Vorteile der GKKB werden insbesondere (i) der Wegfall der Verrechnungspreisproblematik innerhalb der EU, (ii) die Möglichkeit der Verlustverrechnung über EU-Grenzen, (iii) die Vereinfachung von Umstrukturierungen innerhalb der EU und (iv) die Verringerung von Verwaltungsaufwand für die Unternehmen genannt. Als ungelöst gelten bislang die nachstehenden Themenkomplexe: (i) Definition der zu einer GKKB-Gruppe gehörenden Unternehmen, (ii) Behandlung stiller Reserven bei Eintritt in und Austritt aus der GKKB-Gruppe, (iii) Berücksichtigung von Vor-GKKB-Verlusten, (iv) Geschäfte mit Unternehmen außerhalb der GKKB-Gruppe, (v) die Behandlung von Drittstaateneinkünften, (vi) die Organisation der Zusammenarbeit der nationalen Finanzverwaltungen sowie (vii) die Missbrauchsbekämpfung innerhalb des GKKB-Modells.
Ein besonderes Augenmerk ist den Anforderungen an eine GKKB-Gruppe zu widmen. Als kumulative Kriterien werden (i) die Beteiligung von mehr als 75%, (ii) die Kontrolle in Gestalt von mehr als 50% der Stimmrechte und eine Gewinnbeteiligung von mehr als 75% diskutiert. Die Option für die GKKB soll nur für alle Gruppenunternehmen insgesamt bestehen (all in or all out). Derzeit besteht eine Tendenz die vorstehenden Grenzen auf 50% abzusenken. Ferner wird ein dreistufiges Prüfungsschema von verschiedenen EU-Mitgliedstaaten als zu kompliziert angesehen.
Der deutsche Gesetzgeber wäre in jedem Fall gut beraten, den GKKB-Richtlinienentwurf bei zukünftigen Reformüberlegungen zur Gruppenbesteuerung und zur Modernisierung des Konzernsteuerrechts, zu berücksichtigen. Sollte die GKKB nach dem bisherigen Modell tatsächlich irgendwann Wirklichkeit werden, würde sich eine nationale Organschaft- oder Gruppenbesteuerung erübrigen, da eine Konsolidierung der Ergebnisse bereits innerhalb der EU-weiten GKKB-Gruppe erfolgen würde.
Die notwendige Zustimmung der 27 Mitgliedstaaten zu einem wie auch immer gearteten Vorschlag der EU-Kommission dürfte indes nicht – oder jedenfalls nicht so zügig – zu erwarten sein. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten einer GKKB in der bisher diskutierten Form ablehnend gegenüberstehen. Erste Analysen zeigen, dass die GKKB derzeit wohl nur für Frankreich, Spanien und Belgien vorteilhafte wären. Die anderen EU-Mitgliedsstaaten befürchten Nachteile durch die Umverteilung. Die Bundesregierung hat sich bislang nur zurückhaltend geäußert.
Auch wenn demnach nicht mit einer kurz- oder mittelfristigen Umsetzung einer Richtlinie zur GKKB gerechnet werden kann, würde die Veröffentlichung eines Entwurfs im März 2011 dennoch einen Meilenstein in den Bemühungen um die Steuerharmonisierung innerhalb der EU bedeuten. Den in dem Entwurf zum Ausdruck kommenden Tendenzen wird sich kein nationaler Gesetzgeber auf Dauer verschließen können. Die weitere Entwicklung kann mit Spannung erwartet werden.