Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 wurde die Vorschrift des § 8c KStG als Ersatz der bis dahin gültigen Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG zum Verlustuntergang beim sog. „Mantelkauf“ in das KStG eingefügt. Obgleich mit Ablauf des Jahres 2010 gerade erst der dritte Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, für den die Vorschrift zur Anwendung kommt, hat sie zwischenzeitlich bereits zahlreiche Änderungen und Ergänzungen erfahren und zeigt dennoch sehr deutlich ihren generellen Reformbedarf.
Nähert man sich den zahlreichen Auslegungsfragen der Vorschrift, so stellt sich zuerst die Frage, ob es sich um eine Missbrauchsvorschrift handelt. Konzipiert war die Vorschrift des § 8c KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes (wohl) nicht als Missbrauchsverhinderungsvorschrift, auch wenn sie die Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG a.F. zur Verhinderung des (missbräuchlichen) sog. Mantelkaufs ersetzt. Die vielfältigen Nachbesserungen des § 8c KStG haben seinen Charakter zumindest partiell zur Missbrauchsverhinderungsvorschrift gewandelt. War die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. tatbestandlich noch an den Gegebenheiten auf Ebene der Kapitalgesellschaft selbst ausgerichtet, so verschiebt § 8c KStG die Tatbestandsebene auf die Ebene der Gesellschafter. Aber auch die sog. Konzernklausel und die „stille Reserven-Regelung“, die inzwischen in nachgebesserter Form vorliegt, werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten.
Neben den Fragen zur Auslegung einzelner Tatbestandmerkmale, bestehen generelle Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Diese Bedenken werden auf den Verstoß der Norm gegen (i) das objektive Nettoprinzip auf Grund des endgültigen Untergang wirtschaftlich tatsächlich erlittener Verluste, (ii) das Trennungsprinzip, durch Verwirklichung der Tatbestandmerkmale auf Gesellschafterebene, (iii) den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil neben missbräuchlichen Übertragungen auch wirtschaftlich sinnvolle Übertragungen betroffen sind, (iv) den Bestimmtheitsgrundsatz, auf Grund der nicht hinreichenden Bestimmung der Tatbestandsmerkmale „vergleichbarer Sachverhalt“ und „gleichgelagerte Interessen“ gestützt. Darüber hinaus weist § 8c KStG ein strukturelles Vollzugsdefizit auf, da die Finanzbehörden keine Kenntnis von mittelbaren Übertragungen ausländischer Anteilseigner erlangen können.
Auch wenn die Vorschrift einer Verfassungsmäßigkeitsprüfung standhalten sollte, so muss dem Gesetzgeber dennoch bescheinigt werden, dass er bei dem Versuch wirtschaftlich sinnvolle Anteilsübertragungen aus dem Anwendungsbereich des § 8c KStG auszunehmen, an der europarechtlichen Hürde gescheitert ist. Zwar wurde § 8c Abs. 2 KStG a.F. verabschiedet, kam allerdings nie zur Anwendung. Die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1 a KStG wurde am 26.1.2011 durch die Europäische Kommission als nicht genehmigte staatliche Beihilfe „kassiert“.
Gestartet mit dem Ziel eine im Vergleich zu § 8 Abs. 4 KStG a.F. weniger gestaltungsanfällige und anwendungsfreundliche Vorschrift zu schaffen, muss der Gesetzgeber sich zwischenzeitlich eingestehen, dieses Ziel verfehlt zu haben. Allein der Zweck der Gegenfinanzierung der Körperschaftsteuersatzsenkung auf 15% im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes mag erreicht worden sein. Bei der Reform der Verlustverrechnung wird die Zahl der vorhandenen Verlustvorträge (ca. 500 Mrd. €, Stand 2006), europarechtliche Vorgaben auch zur Verrechnung ausländischer Verluste sowie die Entscheidung des BVerfG zur Mindestbesteuerung berücksichtigen müssen. Gleichzeitig muss die Reform aufkommensneutral sein und dem Steuerbürger nicht das Gefühl einer Steuererhöhung durch die Hintertür geben dürfen. Es bleibt zu hoffen, dass es dem Gesetzgeber gelingt, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen.