Ärgernisse bei der Grunderwerbsteuer

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei KPMG, Köln

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Die Grunderwerbsteuer spielt in der Besteuerungsrealität eine zunehmend bedeutsamere Rolle (rund 4,857 Mrd. Steueraufkommen 2009). Vor allem bei betriebswirtschaftlich gewünschten Umstrukturierungen in Konzernen und sonstigen Unternehmensverbindungen sind Mehrfachbelastungen an der Tagesordnung, die mitunter erst durch Steuerstrafverfahren an das „Licht der Öffentlichkeit“ gelangen. Die seit dem 1. 1. 2010 geltende neue Konzernklausel des § 6a GrEStG vermag diesen Entwicklungstrend nur in Grenzen abzumildern.

Ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des bundeseinheitlichen GrEStG zeigt zunächst eine geglückte Gesetzgebungsmaßnahme mit Vereinfachungswirkung: Durch das GrEStG 1983 wurde das vielfältig zersplitterte Landesrecht vereinheitlicht unter Wegfall zahlreicher Befreiungstatbestände bei gleichzeitiger Herabsetzung des Steuersatzes von 7% auf 2%. Zwischenzeitlich sind wieder viele subtile, häufig durch vermeintliche Missbrauchsabwehr getriebene, Sonderregelungen in das GrEStG „zurückgekehrt“. Der seit 2006 landesrechtlich festzulegende Steuersatz steigt: Der Normalsatz beträgt 3,5%; Berlin, Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Sachsen-Anhalt liegen bei 4,5%, Brandenburg und ab 2012 auch Schleswig-Holstein bei 5%.  In Anbetracht knapper Haushaltskassen denken weitere Länder über Grunderwerbsteuersatzerhöhungen nach. Die Mehrfachbelastung von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen durch Grunderwerbsteuer wird deshalb zunehmend zum Ärgernis.

Aktuelles Beispiel für solche gesetzgeberischen und auch rechtssprechungsseitigen Fehlentwicklungen ist m. E. das neue BFH-Urteil vom 15. 12. 2010 (II R 45/08, DB 2011 S. 457 mit Anm. Pahlke, DB0403962). In einem personengesellschaftsgeprägten Konzerngebilde mit einer grundbesitzführenden Unter-KG erfolgen verschiedene inhaltlich und zeitlich zusammenhängende Transaktionen; Streitjahr war 1999. In einem ersten Schritt wurden (vereinfacht) mittelbar Anteile an einer grundbesitzführenden Gesellschaft über das Rechtsinstitut der grunderwerbsteuerlichen Organschaft vereinigt (1 x Grunderwerbsteuer). Anschließend wurden die Anteile der grundbesitzführenden Unter-KG im Konzern „umgehängt“ (2 x Grunderwerbsteuer).

Der BFH hat mit einer teils recht mechanisch anmutenden Rechtsauslegung den doppelten Anfall von Grunderwerbsteuer bestätigt. Argumentation ist: Der Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer gebietet dies bei entsprechender Tatbestandserfüllung; für ein einheitliches Vertragswerk und einen Gesamtplan, der den Anfall von Grunderwerbsteuer auf eine „1 x Belastung“ begrenzt, ist kein Raum. Man kann als „Praxishinweis“ dazu lesen: Bei Anteilsgeschäften sollte stets eine Mehrfachbelastung mit Grunderwerbsteuer bedacht werden. Irgendwie unbefriedigend – denkt der Berater. Auch wenn ich bei wortlautgemäßer, einfach gesetzlicher Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes bei diesem Sachverhalt eine Mehrfachbelastung nicht ernsthaft bezweifeln will, verbleibt Unbehagen am judizierten Rechtsergebnis. Dies aus folgenden Gründen, die der Rechtsanwender de lege lata, der Gesetzgeber de lege ferenda mit berücksichtigen sollte:

Die bedenkenlose Mehrfachbelastung durch Grunderwerbsteuer bei zusammenhängenden Anteilstransaktionen ist mit dem Telos des GrEStG m. E. nur schwerlich vereinbar. Auch wenn die Grunderwerbsteuer ihrer Rechtstechnik nach als spezielle Rechtsverkehrsteuer zu qualifizieren ist, muss deren folgerichtig umzusetzender Belastungsgrund bei der Rechtsanwendung stets mit im Blick bleiben. Dies ist die in der Einkommensverwendung für den Erwerb eines Grundstücks zum Ausdruck gebrachte finanzielle Leistungsfähigkeit (so etwa Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 15 Rdn. 3).

In Personen- oder Kapitalgesellschaftsanteilen „gekleidete“ Grundstückstransaktionen sollen wie asset deals grunderwerbsteuerlich mit erfasst werden. Ein einmaliger Anfall von Grunderwerbsteuer lässt sich damit rechtfertigen. Hängen mehrere Vorgänge aber inhaltlich miteinander zusammen, so gebietet das Telos der Grunderwerbsteuer m. E. eine Belastungsbegrenzung. Dies ist nicht etwa einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geschuldet, sondern ergibt sich aus dem Zweck des Entstehens von Grunderwerbsteuer. In diesem Punkt hätte ich vom BFH etwas mehr Verständnis für die Steuerpflichtigen erwartet. Insoweit erscheint auch eine Ausweitung des Anrechnungstatbestands in § 1 Abs. 6 GrEStG geboten.

Die grunderwerbsteuerliche Organschaft bei unmittelbaren und mittelbaren Anteilsvereinigungsvorgängen (§ 1 Abs. 3, 4 GrEStG) wirkt m. E. zu einseitig und ist nicht mit dem Abhängigkeitsbegriff des § 6a GrEStG abgestimmt. Die Regelung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG wirkt ausschließlich als steuerbegründender Sondertatbestand und erweitert damit die Kriterien unmittelbarer und mittelbarer Anteilsvereinigungen. Dadurch werden betriebswirtschaftlich notwendige Anpassungen in einem Konzernverbund – ungeachtet des § 6a GrEStG – erschwert. M. E. sollte die grunderwerbsteuerliche Organschaft „im Guten wie im Schlechten“ wirken. Dies wird nur der Gesetzgeber ändern können.

Schließlich sollte der durch das Jahressteuergesetz 2010 mit Wirkung ab 1. 1. 2010 neu eingeführte Steuervergünstigungstatbestand des § 6a GrEStG bei Umstrukturierungen im Konzern weit und nicht eng ausgelegt werden. Die Finanzverwaltung dagegen nimmt in ihren koordinierten Ländererlassen vom 1. 12. 2010 stattdessen eine Reihe recht engherzig anmutender Begrenzungen der Befreiungsnorm vor. Der Grund für das Gebot einer großzügigen Auslegung des § 6a GrEStG liegt m. E. darin, dass eine eigentlich systemwidrige Mehrfachbesteuerung von Anteilstransaktionen im Konzern mit mehr oder weniger zufällig grundbesitzführenden Gesellschaften einer sachgerechten Beschränkung durch § 6a GrEStG bedarf. Der BFH sollte diesen Rechtsaspekt m. E. bei anstehenden Streitfällen zu § 6a GrEStG zumindest mit bedenken.

Zum Schluss

Leider hat der BFH seine strenge tatbestandsorientierte Rechtsprechung zu Lasten der Steuerbürger fortgesetzt. Die Praxis muss dies natürlich bei Gestaltungen berücksichtigen. Dies führt zu Blocker-KGs und anderen „grunderwerbsteuerlichen Unikaten“, die keineswegs missbräuchlich sind, sondern vielmehr dem Telos der Grunderwerbsteuer erst zum sachgerechten Durchbruch verhelfen sollen. In geeigneten Fällen einer „Steuerverteidigung“ sollte man ungeachtet der neuen BFH-Entscheidung weiterhin „streitbar“ sein.

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