Während die Änderung eines Steuerbescheides innerhalb der Einspruchsfrist durch einen schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 AO oder im Rahmen eines Einspruchsverfahrens unproblematisch möglich ist, kann eine Änderung nach Eintritt der Bestandskraft nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen der besonderen Korrekturvorschriften der Abgabenordnung erfüllt sind. Bei der Berücksichtigung neuer Tatsachen, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, ist aber Bedingung, dass deren nachträgliches Bekanntwerden nicht durch ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen verursacht ist.
Von einem groben Verschulden geht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aus, wenn durch ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Steuerpflichtigen die für ihn günstigen Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Während die Fälle des Vorsatzes in der Praxis kaum von Relevanz sind, ist die Auslegung des Rechtsbegriffes der groben Fahrlässigkeit ständige richterliche Übung. Hier gilt das Diktum, wonach grob fahrlässig derjenige handelt, der die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem, nicht entschuldbarem Maße verletzt. Diese Grundsätze gelten aber nicht nur für den Steuerpflichtigen: bedient er sich der fachmännischer Hilfe eines Steuerberaters, wird ihm nicht nur das Verschulden seines Vertreters zugerechnet. Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtsprechung die Frage der groben Fahrlässigkeit bei Steuerberatern restriktiv handhabt, indem die Kenntnis und sachgemäße Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften erwartet wird. Dies führt nicht selten dazu, dass eine Änderung aufgrund nachträglich bekannt gewordener neuer Tatsachen nicht mehr möglich ist.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat nun erstmals in seiner Entscheidung vom 22 .4. 2009 – 7 K 1951/07 F (EFG 2011 S. 19), einen gemäßigten und der Sache nach angezeigten Verschuldensmaßstab angewandt. In dem entschiedenen Fall hatte die Mitarbeiterin des Steuerberaters zwar Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, nicht aber die auf der ihr vorliegenden Bescheinigung auch ausgewiesene Bearbeitungsgebühr und ein Vorfälligkeitsentgelt. Ein solches Versehen eines Steuerberaters wurde in Vergangenheit vorschnell zu einem Haftungsfall, da eine Änderung nach Bestandskraft nicht mehr möglich war. Eine sachgerechte und gewissenhafte Bearbeitung durch einen Steuerberater war nach Auffassung der Verwaltung mit einem derartigen Versehen nicht vereinbar. Das FG Düsseldorf befand nun jedoch, dass ein schlichtes Übersehen oder Versehen durchaus auch einem Steuerberater unterlaufen darf und einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht entgegensteht.
Die zu begrüßende Entscheidung des Finanzgerichts lässt die Hoffnung erwachen, dass dem eigentlichen Sinn und Zweck der Berücksichtigung des groben Verschuldens bei der Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen wieder Rechnung getragen wird. Im Ergebnis trägt die Entscheidung zu einer verstärkten Einzelfallgerechtigkeit bei und vermeidet nicht zuletzt langwierige und kostenintensive Haftungsprozesse.
Das ist doch mal eine positive Nachricht. Natürlich sollte einem StB bei der Steuererklärung seiner Mandanten kein Fehler unterlaufen, aber wo Menschen arbeiten kann das auch bei einem gut ausgebildetem Mitareiterstab erfolgen. Solange dies nicht zum Regelfall wird steht dem ja auch nichts entgegen den Bescheid trotz Bestandskraft noch zu ändern.