Flexibilität adieu – neues Verständnis der Rückwirkungsfiktion

WP/StB/CPA (U.S.) Dipl.-Kfm. Sven Fuhrmann, Partner bei Deloitte in Frankfurt/M.

Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Finanzverwaltung ihr Verständnis des Umfangs der steuerlichen Rückwirkungsfiktion im Sinne von § 2 UmwStG zu ändern. Zukünftig sollen stets und ausschließlich die rechtlichen Verhältnisse am steuerlichen Übertragungsstichtag maßgeblich sein. § 2 UmwStG eröffnet die Möglichkeit, Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge ausnahmsweise und abweichend von den zivilrechtlichen Regelungen mit steuerlicher Wirkung auf einen Zeitpunkt bis zu acht Monate vor Anmeldung des Vorgangs beim zuständigen Registergericht zurück zu beziehen.

Wird die übertragende Körperschaft handelsrechtlich aufgelöst und ihr Vermögen ohne Abwicklung auf einen anderen Rechtsträger übertragen, ist der Sachverhalt für ertragsteuerliche Zwecke so zu beurteilen, als ob das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags vom übernehmenden Rechtsträger erzielt bzw. auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen ist und die übertragende Körperschaft steuerlich nicht mehr existiert. Der steuerliche Übertragungsstichtag entspricht dem Abschlussstichtag der dem Umwandlungsvorgang zugrunde liegenden handelsrechtlichen Schlussbilanz.

§ 2 UmwStG fingiert nach Auffassung der Finanzverwaltung nur die rückwirkende Zurechnung von Einkommen und Vermögen. Vor diesem Hintergrund formuliert die Finanzverwaltung entgegen ihrer bislang vertretenen Auffassung folgende verschärfende Voraussetzungen:

  • Der übernehmende Rechtsträger muss bei Umwandlungen zur Aufnahme bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag zivilrechtlich existieren.
  • Die Teilbetriebsvoraussetzungen müssen bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen.
  • Bei der Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung deutscher Besteuerungsrechte ist stets auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags abzustellen.

Sollten diese Überlegungen tatsächlich umgesetzt werden, hätte dies eine erhebliche Einschränkung der Flexibilität im Rahmen von Unternehmensumwandlungen zur Konsequenz. Zukünftig müssten bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag die Voraussetzungen für steuerneutrale Restrukturierungen in Form des Teilbetriebserfordernisses und des Fortbestehens deutscher Besteuerungsrechte erfüllt sein, um die steuerliche Rückbeziehungsfiktion überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Ein allmähliches „Hineinwachsen“ in den Teilbetrieb bis Beantragung der Umwandlung beim Handelsregister – wie bislang durchaus üblich – wird unter der Prämisse der Steuerneutralität der zugrunde liegenden Umwandlung nicht mehr möglich sein. Auch der Erwerb eines Rechtsträgers zum Zweck einer unmittelbar anschließenden rückwirkenden Umwandlung auf diesen müsste zukünftig zwingend vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Umwandlungen auf zivilrechtlich zum steuerlichen Übertragungsstichtag nicht bestehende Rechtsträger würden nicht mehr möglich sein. Dieses Problem könnte jedoch durch den Einsatz von Vorratsgesellschaften umgangen werden.

Im Ergebnis würde die Anwendung des neuen Verständnisses der Rückwirkungsfiktion bedeuten, dass Umwandlungsvorgänge mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf geplant werden müssten. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung ihr neues Verständnis der Rückwirkungsfiktion erst auf Umwandlungsfälle anwenden wird, die nach Veröffentlichung des lang ersehnten Entwurfs eines Umwandlungssteuererlasses stattfinden.

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