Grenzenlose Organschaft

Seit Langem wird eine Reform der Organschaft diskutiert. Nun hat der BFH durch eine bahnbrechende Entscheidung (BFH-Urteil vom 9. 2. 2011 – I R 54, 55/10, DB 2011 S. 6) zur gewerbesteuerlichen Organschaft die territoriale Begrenzung faktisch aufgehoben und so nicht nur die gewerbesteuerliche Organschaft akut auf den Prüfstand gestellt. Nach Auffassung des BFH verstößt die Begrenzung der gewerbesteuerlichen Organschaft auf das Inland gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot.

Der Sachverhalt stellt sich – leicht vereinfacht – wie folgt dar: eine britische plc war mehrheitlich an einer deutschen GmbH beteiligt. Die britische Obergesellschaft hat ihrer deutschen Tochter umfangreiche Darlehen gewährt. Die darauf gezahlten Zinsen wurden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 8 Nr. 1 GewStG hälftig als Dauerschuldzinsen hinzuaddiert.  Hiergegen wendet die deutsche Tochtergesellschaft ein, dass eine gewerbesteuerliche Organschaft bestehe und eine Hinzurechnung der Darlehenszinsen deshalb ausgeschlossen sei. Der BFH führt zunächst aus, dass eine gewerbesteuerliche Organschaft zwischen den Gesellschaften mangels unbeschränkter Steuerpflicht der britischen Muttergesellschaft im Inland nicht begründet werden konnte. Im Ergebnis werde die deutsche GmbH allein deshalb schlechter behandelt, weil ihre Anteile von einer britischen und nicht von einer deutschen Obergesellschaft gehalten werden und diese Ungleichbehandlung verstößt klar gegen das Diskriminierungsverbot im Doppelbesteuerungsabkommen mit Großbritannien.

Im Verhältnis zu ihrer Muttergesellschaft in Großbritannien muss die deutsche Tochter damit genau so besteuert werden wie eine vergleichbare inländische Organgesellschaft. Im Vergleichsfall geht die persönliche Gewerbesteuerpflicht auf die deutsche Obergesellschaft über. Nichts anderes kann daher im Entscheidungssachverhalt gelten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass dies per saldo zu einer „Keinmalbesteuerung“ im Inland führt. Dieses Ergebnis ist sensationell: Die deutsche Tochtergesellschaft einer ausländischen, mehrheitlich beteiligten Mutter zahlt faktisch keine Gewerbesteuer mehr, wenn das konkrete DBA ein Art. 24 Abs. 5 OECD-MA entsprechendes Diskriminierungsverbot vorsieht und keine Bereichsausnahme vereinbart wurde, wie beispielsweise in Art. 21 des Protokolls vom 29. 8. 1989 zum DBA-USA.

Inbound-Investitionen werden so in einem beachtlichen Ausmaß subventioniert und in der wirtschaftlichen Gesamtschau deutlich besser behandelt als der vergleichbare Inlandskonzern.  Gleiches gilt im Grundsatz auch für die Körperschaftsteuer. Noch offen ist allerdings, ob die Tatsache, dass die körperschaftsteuerliche Organschaft den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrag voraussetzt, dazu führt, dass der Inlandssachverhalt und der grenzüberschreitende Sachverhalt sich so weit unterscheiden, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könnte oder ob dies nicht vielleicht eine versteckte Diskriminierung ist. Dies wird die weitere Diskussion zeigen.

Kommentare sind geschlossen.