Im Urteil vom 3. 3. 2011 (V R 24/10, DB 2011 S. 1029) hat der BFH jetzt klargestellt, dass Haftungsvergütungen, die von Personengesellschaften an Gesellschafter gezahlt werden, umsatzsteuerpflichtig sind. Im Gefolge einer Rechtsprechungsänderung durch den BFH aus dem Jahre 2002, wonach die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in Bezug auf eine Personengesellschaft nicht per se von der Umsatzbesteuerung ausgenommen ist, hat sich die Finanzverwaltung zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Haftungsübernahme geäußert, die von Anfang an kontrovers diskutiert wurde.
Die vom BMF in den Schreiben vom 23. 12. 2003 (DB 2004 S. 37) bzw. vom 31. 5. 2007 (DB 2007 S. 1276) vertretenen Ansichten waren im Hinblick darauf umstritten, inwieweit Haftungsvergütungen
- zum einen tatsächlich nicht im Rahmen eines eigenen Leistungsaustauschverhältnisses erbracht werden, weil aus dem Gesellschafterstatus als solchem sich unabdingbar ergebende Rechtsfolgen keine Leistung darstellen sollen, und
- zum anderen als zusätzliches Entgelt für eine einheitliche Leistung anzusehen seien, wenn daneben steuerbare Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen erbracht werden.
Demgegenüber sahen die Finanzgerichte (FG Niedersachsen, Urteil vom 25. 2. 2010 – 16-K-347/09, rkr. ; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. 5. 2010 – 7-K-7183/06-B, DB 2010 S. 12, das jetzt vom BFH entschieden wurde) die persönliche Haftung und die Geschäftsführung umsatzsteuerlich als zwei getrennte Vorgänge an. Umstritten war im Rahmen der Haftung lediglich, ob die Haftungsübernahme wegen der Unabdingbarkeit ein nicht steuerbarer Vorgang ist, eine im Grundsatz steuerpflichtige Leistung darstellt (wobei mit Blick auf die niedrigen Haftungspauschalen i. d. R. die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG greift), oder sogar als eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerbefreite Leistung zu sehen ist.
Ausgangspunkt der Diskussionen um die umsatzsteuerliche Behandlung der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen eines Gesellschafters gegen Entgelt war das BFH-Urteil vom 6. 6. 2002 (V R 43/01, BStBl. II 2003 S. 36 = DB 2002 S. 1757). Mit diesem Urteil hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung (BFH vom 17. 7. 1980 – V R 5/72, BStBl. II 1980 S. 622 = DB 1981 S. 56) geändert, nach der die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht nur bei Vorliegen eines gewinnabhängigen Entgelts, sondern auch bei einer gewinnunabhängigen Vergütung (Sonderentgelt) keine steuerbare Leistung eines Gesellschafters an die Gesellschaft darstellt (sog. „Organwalterurteil“).
Unter Aufgabe des für die Besteuerung von Geschäftsführungsleistungen entwickelten Sonderrechts setze ein Leistungsaustausch lediglich voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Ob der Gesellschafter bei der Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft zugleich auch Mitgliedschaftsrechte ausübt, ist mithin nicht erheblich, wenn er dafür ein Entgelt erhält. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich nicht lediglich um eine Gewinn- oder Verlustbeteiligung handelt.
Im aktuell entschiedenen Fall ging es um die Klage eines Komplementärs, der bei mehreren nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG) geschäftsführungs- und vertretungsbefugt war sowie aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses für die Verbindlichkeiten der Fonds persönlich zu haften hatte. Nach den Gesellschaftsverträgen erhielt der Komplementär für die Haftungsübernahme jeweils gesondert vereinbarte Festvergütungen, für die er die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG (Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten) begehrte.
Angesichts des BFH-Urteils aus 2002 (V R 43/01, BStBl. II 2003 S. 36 = DB 2002 S. 1757) überrascht es nicht, dass der BFH hinsichtlich der Übernahme der Haftung gegen eine Festvergütung von einem Leistungsaustausch ausgeht. Etwas verwunderlich ist nach dem Urteil V R 24/10 (DB 2011 S. 1029) des V. Senats des BFH einerseits zwar, dass die Haftung des geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Komplementärs nur Teil einer einheitlichen Leistung sein soll, die Geschäftsführung, Vertretung und Haftung umfasst. Andererseits aber ist vor dem Hintergrund der EuGH-Vorgaben wiederum evident, dass die Leistung umsatzsteuerpflichtig ist, weil eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG nur in Betracht kommt, wenn für Geldverbindlichkeiten eingestanden werden soll, nicht aber wenn es um eine Einstandspflicht für Sachleistungsverpflichtungen geht.
Das Urteil hat grundsätzlich Auswirkungen für alle Personengesellschaften, die ihren geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschaftern gewinnunabhängige Haftungsvergütungen zahlen (wegen der ordnungsgemäßen Rechnungsstellung in formaler Hinsicht), aber hauptsächlich (in materieller Hinsicht) für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personengesellschaften bzw. Immobilienfonds und für deren Gesellschafter bzw. Initiatoren. In diesen Konstellationen müsste zukünftig die Möglichkeit einer gewinnabhängigen und mithin nicht umsatzsteuerbaren Haftungsvergütung in Erwägung gezogen werden.