Mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (sog. SEStEG) vom 7. 12. 2006 wurde das Umwandlungssteuergesetz grundlegend reformiert. Wie bei jeder grundlegenden Gesetzesreform treten nicht unerhebliche Zweifelsfragen für den Gesetzesanwender auf. Für die Diskussion, wie die Zweifelsfragen aus Sicht der Finanzverwaltung zu beantworten sind, hat sich die Finanzverwaltung gut fünf Jahre Zeit genommen und nunmehr den lang ersehnten ersten (öffentlichen) Entwurf eines Umwandlungssteuererlasses den Verbänden mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 15. 6. 2011 übersendet.
Anfragen von Steuerpflichtigen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft wurden in der Zwischenzeit nicht selten mit dem Hinweis abgeschmettert, dass diese bis zur finalen Klärung der Frage auf Seiten der Finanzverwaltung nicht erteilt werden können. Praktisch bedeutete dies, dass der Steuerpflichtige vor der Wahl stand, entweder das mögliche steuerliche Risiko einer Umstrukturierung zu tragen oder eine betriebswirtschaftlich dringend notwendige Umstrukturierung nicht durchzuführen. Bei vielen Steuerpflichtigen führte dies in den vergangenen Jahren zu einem nicht unerheblichen Umstrukturierungsstau.
Für alle Gesetzesanwender bleibt nun zum einen zu hoffen, dass die Arbeiten um den Umwandlungssteuererlass noch dieses Jahr abgeschlossen werden und zum anderen, dass die Finanzverwaltung nunmehr auf Basis ihres (Zwischen-)Erkenntnisstandes bereitwilliger ist, verbindliche Auskünfte zu erteilen, um insoweit Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen herzustellen.
Allen Beteiligten muss allerdings klar sein, dass noch ein erhebliches Stück Arbeit vor ihnen liegt. Wie nicht anders zu erwarten, vertritt die Finanzverwaltung in den knapp 180 Seiten des Entwurfes des Umwandlungssteuererlasses zum Teil sehr profiskalische Ansichten, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. Anderseits versucht die Finanzverwaltung, gesetzliche Regelungslücken dadurch zu schließen, dass sie grundlegend neue Konzepte vorstellt, wie das Gesetz auszulegen ist. Exemplarisch seinen hierfür genannt: das Verständnis des Teilbetriebsbegriffs, das Abstellen auf die steuerlichen Verhältnisse am steuerlichen Übertragungsstichtag, das Verständnis der Funktion der steuerlichen Übertragungsbilanzen und der anzuwendenden Bilanzierungsregeln, die Behandlung einer jeden Umwandlung im Sinne des Umwandlungssteuergesetzes als Veräußerungsvorgang.
In Tz. 27.16 des Entwurfs eines Umwandlungssteuererlasses stellt die Finanzverwaltung lapidar fest, dass die von ihr dargestellten Grundsätze für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden sind. Würde es bei diesem Verständnis der Übergangsvorschriften bleiben, könnten bereits realisierte Umwandlungen durch die Anwendung von neuen Konzepten, die zum Umwandlungszeitpunkt noch nicht bekannt waren, im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung steuerlich völlig anders beurteilt werden.
Die fachliche Diskussion rund um den Entwurf eines Umwandlungssteuererlasses sollte sich aus Sicht der Gesetzesanwender somit nicht nur ausschließlich auf materiell-rechtliche Fragen beschränken. Es sollte vielmehr stets auch diskutiert und festgelegt werden, ab wann das neue Rechtsverständnis angewendet werden soll. Hierbei sollte der Grundsatz gelten, dass für den Steuerpflichtigen eine nachteilige Auslegung des Gesetzes durch die Finanzverwaltung erst ab dem Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung eines Entwurfs eines Umwandlungssteuererlasses gelten soll.