Der „Teilbetrieb“ ist ein wichtiges steuerliches Tatbestandsmerkmal bei Unternehmensumwandlungen. Wird zukünftig ausschließlich von der EU (bzw. vom EuGH) festgelegt, was darunter zu verstehen ist? Der vom BMF im Mai auf seiner Internetseite veröffentlichte Entwurf eines Erlasses zum Umwandlungssteuergesetz weist in diese Richtung.
Bestimmte unternehmerische Umstrukturierungen, insbesondere Spaltungen und Einbringungen, sind steuerlich nur begünstigt, wenn sie sich auf „Teilbetriebe“ beziehen, nicht jedoch, wenn lediglich einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden. Hierzu hat sich über Jahrzehnte eine nahezu unübersehbare Kasuistik entwickelt.
Die EU hat durch die Fusionsrichtlinie (in der Fassung der RL vom 17. 2. 2005, ABl. l 58 S. 19) den nationalen Gesetzgebern u. a. vorgegeben, in welchen Fällen grenzüberschreitende Spaltungen und Einbringungen innerhalb der EU steuerneutral möglich sein müssen. Auch nach der FusionsRL wird nur die Übertragung eines „Teilbetriebes“ (in der englischen Fassung „branch of activity“, in der französischen „branche d‘activité“) begünstigt. Der Begriff wird in Art. 2 Buchst. i der FusionsRL definiert und entspricht in etwa, aber nicht vollständig dem deutschen Teilbetrieb. Der EuGH hat bislang in einigen wenigen Urteilen erste Abgrenzungen vorgenommen. Vieles ist jedoch noch ungeklärt.
Es gibt in Deutschland keine eigenständigen Normen für Umwandlungen, die nach der FusionsRL steuerneutral zu erfolgen haben. Das UmwStG unterscheidet grundsätzlich nicht danach, ob eine Umwandlung nur nationale Bezüge hat, oder ob sie (zugleich) unter die FusionsRL fällt. Daraus ergibt sich folgendes Problem: Soweit eine Einbringung oder Spaltung mit EU-Bezug steuerfrei zu erfolgen hätte, dies aber daran scheitern würde, dass der deutsche Teilbetriebsbegriff nicht erfüllt ist, so läge ein Verstoß gegen höherrangiges EU-Recht vor.
Mit andern Worten: Zumindest in Umwandlungsfällen, die auch unter die FusionsRL fallen, darf der deutsche Teilbetriebsbegriff nicht zu einer Einengung führen. Dann müssten jedoch Umwandlungen mit EU-Bezug steuerneutral möglich sein, während dieselben Umwandlungen als reiner Inlandssachverhalt Steuern auslösten. Eine sachgerechte und in sich konsistente Lösung wäre es, im Sinne einer Meistbegünstigung das Vorliegen des deutschen oder alternativ des europäischen Teilbetriebsbegriffes ausreichen zu lassen.
Die Finanzverwaltung tendiert jedoch gegenwärtig zu einem entgegengesetzten Ansatz: Im Entwurf des UmwSt-Erlasses wird u. a. der Begriff des Teilbetriebes erläutert. Dabei wird ausdrücklich auf die Definition in der FusionsRL Bezug genommen. Die Finanzverwaltung ist wohl der Auffassung, es sei im UmwStG ausschließlich der europäische Teilbetriebsbegriff anzuwenden. Es wird dabei nicht differenziert, ob die entsprechende Umwandlung einen reinen Inlands- oder einen EU-Sachverhalt betrifft.
Für die Praxis bringt dies einige wesentliche Einschränkungen mit sich. Der EuGH hat entschieden (15. 1. 2002 – Rs. C-43/00 – Andersen og Jensen ApS, DB 2002 S. 822), es sei für den europäischen Teilbetrieb erforderlich, alle zugehörigen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter mit zu übertragen. Es wäre also nicht mehr, wie noch unter Geltung des deutschen Teilbetriebsbegriffes, ohne weiteres möglich, durch Zuordnung von Liquidität und Verbindlichkeiten die Wertverhältnisse der Teilbetriebe auszugleichen. Allerdings ist der Teilbetrieb europäischer Lesart an einigen Stellen wohl auch großzügiger. Anders als beim deutschen Teilbetrieb kommt es nicht darauf an, ob sich diese Teileinheit von der übrigen Tätigkeit des Betriebes besonders abhebt, rein organisatorische Selbständigkeit genügt.
Für die Praxis besonders bedeutsam dürfte die Frage sein, ob es ausreicht, wenn eine für den Teilbetrieb wesentliche Betriebsgrundlage diesem nur zur Nutzung überlassen wird oder ob die Übertragung des (zumindest wirtschaftlichen) Eigentums notwendig ist. Für den europäischen Teilbetriebsbegriff wird, anders als für den deutschen, die Nutzungsüberlassung von Vielen als ausreichend angesehen.
Bemerkenswert ist, dass die Finanzverwaltung in dem Erlassentwurf in den genannten Punkten jeweils die restriktivere, für den deutschen Teilbetriebsbegriff entwickelte Rechtsauffassung ausdrücklich festschreibt.
Die Finanzverwaltung wendet also den europarechtlichen Teilbetriebsbegriff an; soweit jedoch der deutsche Teilbetriebsbegriff enger ist, gilt im Sinne einer „Meistbenachteiligung“ dessen restriktivere Fassung. Konsequenz wäre, dass die bisherige Rechtsprechung zum deutschen Teilbetrieb allenfalls eingeschränkt verwertbar bliebe. Sämtliche künftige Rechtsstreitigkeiten zum Teilbetriebsbegriff wären auch bei reinen Inlandsfällen dem EuGH vorzulegen (so der EuGH bereits im Leur-Bloem-Beschluss vom 17. 7. 1997 [DB 1997 S. 1851] zur Umsetzung der FusionsRL in niederländisches Recht).
Die hierdurch entstehende Rechtsunsicherheit wäre vermeidbar, indem sich die Verwaltung eines Besseren besänne und den jeweils großzügigeren Begriff zuließe. Da es in sämtlichen betroffenen Fällen nicht darum geht, potentiell steuerpflichtige Substanz endgültig einer Besteuerung zu entziehen, dürfte eine solche streitvermeidende Interpretation trotz knapper Haushaltskassen auch für den Fiskus vertretbar sein.