Die IFRS – International Financial Reporting Standards – sind ein angelsächsisch geprägtes Regelwerk internationaler Rechnungslegungsstandards für kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die der Informationsverbesserung auf effizient und kostengünstig arbeitenden Kapitalmärkten dienen sollen. Transparente und vergleichbare Rechnungslegungsinformationen sind das Ziel. Das Mittel ist ein zwar prinzipienbasiertes, aber sehr fallgruppenorientiertes, umfangreiches Regelwerk mit teils hoher Unbestimmtheit (etwa bei der Ermittlung von fair values). Es kommt vor allem bei der Konzernrechnungslegung der Kapitalmarktunternehmen zur Anwendung. Durch das so genannte Komitologieverfahren wird aus den von einem privaten Standardsetzer – dem IASB in London – geschaffenen Regelungen Europarecht.
Zwar standen einige IFRS-Regelungen „Pate“ für die BilMoG-Gesetzgebung im Mai 2009 (etwa bei Anlehnung des § 274 HGB zu latenten Steuern an IAS 12), kodifiziertes Rechnungslegungsrecht sind sie dadurch aber nicht geworden. Die IFRS kommen allenfalls als „Auslegungshilfe“ in Betracht. Auf Ausschüttungs- und Besteuerungszwecke sind IFRS nicht zugeschnitten. Dennoch hat der deutsche Steuergesetzgeber für den Eigenkapital-Escape bei Anwendung der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) die IFRS-Abschlüsse als vorrangig anwendbar geregelt. Die dadurch entstehenden praktischen Anwendungsschwierigkeiten werden allmählich in Betriebsprüfungen, Auskunftsanträgen und irgendwann auch einmal in Finanzgerichtsentscheidungen sichtbar. Für Kapitalmarktteilnehmer – also vor allem die international tätigen Konzerne – sind die IFRS zwischenzeitlich „ein Faktum“.
IFRS sind keine handelsrechtlichen GoB
Das Steuerbilanzrecht als Grundlage der Ertragsbesteuerung von in Deutschland tätigen Unternehmen nimmt in Gestalt der materiellen Maßgeblichkeit auf die „handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ Bezug, die in überwiegend kodifizierter, teils aber auch nicht kodifizierter Form vorliegen (§ 5 Abs. 1 EStG). Die IFRS als Regelungswerk gehören sicher nicht zu den GoB, können aber durch ihre praktische Anwendung mitunter auf ungeschriebene GoB induktiv „einwirken“, dadurch als Erkenntnisquelle (nicht Rechtsquelle) mittelbare bilanzsteuerrechtliche Rechtsfolgen entfalten. In der BIAO-Entscheidung des I. BFH-Senats vom 15. 9. 2004 (I R5/04, DB 2005 S. 311) wurde die Anwendung der (damaligen) IAS auf eine Rückstellungsfrage des Streitjahrs 1989 schon „aus zeitlichen Gründen“ abgelehnt; die EuGH-Vorlage dazu hatte vorher für einige Verwirrung gesorgt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den IFRS als Grundlage steuerbilanzrechtlicher Wertungen blieb offen.
Zwei aktuelle BFH-Urteile zur „IFRS-Unmaßgeblichkeit“
Aktuell sind nun zwei neuere BFH-Entscheidungen zu konstatieren, die sich klar und deutlich zur „Unmaßgeblichkeit“ der IFRS für steuerbilanzielle Zwecke äußern. Dies ist aus steuersystematischen Gründen – das Leistungsfähigkeitsprinzip weist keinerlei IFRS-Berührungspunkte auf – und unter dem Aspekt der Planungssicherheit ganz unabhängig vom konkreten Ausgang des jeweiligen Rechtsstreits zu begrüßen.
- Zum Ersten ist das Stock-Option-Urteil des BFH vom 25. 8. 2010 (I R103/09, DB 2010 S. 2648) zu nennen. Im Streitfall des Jahres 2001 wollte eine Aktiengesellschaft für ein „echtes“ mitarbeiterbezogenes Aktienoptionsprogramm (im Wege einer bedingten Kapitalerhöhung) Personalaufwand als Betriebsausgabe geltend machen. Unter anderem hatte man sich zur Begründung des Klagebegehrens auf IFRS 2 „share based payments“ berufen (Optionsrechte als über eine Kapitalrücklage „eingelegte“ Vergütungsbestandteile). Der BFH lehnt dies kurz und bündig sowohl inhaltlich als auch unter zeitlichen Anwendungsaspekten ab (Rdn. 23 des Judikats), die IFRS bestimmen nicht die steuerrechtliche Gewinnermittlung. Diese Aussage scheint dem BFH so klar „auf der Hand“ zu liegen, dass er eine weitergehende Begründung für entbehrlich hält. Im Rechtsergebnis ist die Ausgabe realer Aktienoptionen an Mitarbeiter erfolgsneutral zu behandeln.
- Zum Zweiten hat sich der IV. Senat in seinem Urteil vom 14. 4. 2011 (IV R 46/09, DB0422362) mit der Aufteilung eines Windparks, der aus vier Windkraftanlagen bestand, in mehrere Wirtschaftsgüter befasst. Der BFH ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar mehrere Wirtschaftsgüter bestehen, diese aber in Anlehnung an die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Windkraftanlagen grundsätzlich über denselben Zeitraum abzuschreiben sind. Die klagende Fondsgesellschaft hatte sich zur Begründung einer Vielzahl separater Wirtschaftsgüter mit insgesamt kürzerer Nutzungsdauer auf den sogenannten Komponentenansatz der IFRS und den daran angelehnten IDW Rechnungslegungshinweis HFA 1.016 (vom 29. 4. 2009) berufen.
Bei „physisch separierbaren Komponenten“ mit eigenständiger wirtschaftlicher Nutzungsdauer erkennt das IDW keinen Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz und das Konzept des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs, sondern sieht dadurch eine verursachungsgerechte Aufwandsperiodisierung gewährleistet. Der schnellere Abschreibungsverlauf mit seinem ergebnisglättenden Effekt wird als eine Art „Kompensat“ zur Abschaffung der Aufwandsrückstellungen durch das BilMoG vom 25. 5. 2009 gesehen. Der IV. Senat des BFH dagegen beurteilt den Komponentenansatz nicht als geeignet, den steuerlichen Wirtschaftsgutbegriff zu prägen (Rdn. 24); dies ist m. E. zutreffend. Auch hier findet sich in der Urteilsbegründung der „Programmsatz“: „Diese Standards haben für die steuerliche Gewinnermittlung keine Bedeutung“.
Zusammengefasst
Leistungsfähigkeitsorientiertes Steuerbilanzrecht und informationsbezogene IFRS Rechnungslegung sind „zwei Welten“. Trotz der steuerbilanziellen Bezugnahme des § 5 Abs. 1 EStG auf die handelsrechtlichen GoB hat der BFH bislang jegliche mittelbare IFRS-Einflussnahme abgelehnt. Damit trägt die höchstrichterliche Rechtsprechung klug und durchaus weitsichtig allein steuerbilanziellen Wertungsprinzipien Rechnung. Unabhängig von den jeweiligen Rechtsergebnissen des Einzelfalls wird der Steuerpraktiker eine solche IFRS-Skepsis begrüßen.