„Sexpartys auf Kosten der Steuerzahler“ so schrieb eine Tageszeitung, nachdem bekannt wurde, dass eine große Versicherungsgruppe etwa 83.000 € für eine sog. Incentivereise ausgegeben hatte, die in eine Budapester Therme führte, in der u. a. zwanzig Prostituierte anwesend gewesen sein sollen. Die Kosten dieser Reise wurden als Betriebsausgaben geltend gemacht. Betriebsausgaben für Sex-Aufwendungen? Ist das mit dem Gesetz und mit unserem Rechtsempfinden vereinbar?
Das Gesetz definiert Betriebsausgaben als „Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind“ (§ 4 Abs. 4 EStG). Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sog. Incentives, also Leistungsanreize, um entweder besondere Anstrengungen oder Erfolge zu honorieren oder ihn zu besonderen Anstrengungen zu motivieren, so sind dies Betriebsausgaben. Unternehmen versprechen sich zumeist besonders hohe Motivationswirkungen von so genannte Incentivereisen, also Reisen zu touristisch attraktiven Zielen, bei denen das Interesse an Erholung oder privatem Erlebnis im Vordergrund steht. Incentivereisen haben regelmäßig Entlohnungscharakter, d. h. dem Arbeitnehmer wird dadurch ein geldwerter Vorteil zugewendet, den dieser als Bestandteil des Arbeitslohns versteuern muss.
Es trifft also nicht zu, dass der Steuerzahler solche Zuwendungen subventioniert. Denn der Betriebsausgabenabzug wird durch die Besteuerung des geldwerten Vorteils wieder kompensiert. Der Wert der Reise ist dabei nach den üblichen Endpreisen am Abgabeort zu bestimmen (§ 8 Abs. 2 EStG), das ist der um die üblichen Preisnachlässe gekürzte und ggf. im Wege einer Durchschnittsberechnung ermittelte Angebotspreis für Gruppenreisen, die Reiseveranstalter am Markt anbieten. Die Lohnsteuerpflicht trifft den Arbeitnehmer, jedoch kann der Arbeitgeber nach § 37b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG diese geldwerten Vorteile pauschal mit 30% der getätigten Aufwendungen versteuern. In diesen Fällen ist die Steuerpflicht des Arbeitnehmers abgegolten, d. h. die gewährten Vorteile bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte des Arbeitnehmers außer Ansatz.
Sind die Aufwendungen des Arbeitgebers für den Besuch von Sauna-Clubs, Sexpartys etc. Aufwendungen, die unter diese Regelungen fallen? Die Nähe zum persönlichen Vergnügen schließt den Betriebsausgabencharakter nicht aus. Das Steuerrecht differenziert nicht danach, wie und wofür die Zuwendungen beim Empfänger verwendet werden, sondern ausschließlich danach, ob der Grund der Verausgabung im betrieblichen/beruflichen Bereich liegt. Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer 100 € Lohn und verwendet dieser den Betrag, um sich in einem Sex-Club zu vergnügen, so ist die Lohnzahlung beim Arbeitgeber trotz des Bordellbesuchs des Arbeitnehmers Betriebsausgabe. Sollte das anders sein, wenn der Arbeitgeber die Kosten für den Bordellbesuch unmittelbar übernimmt und der Arbeitgeber diesen als geldwerten Vorteil versteuert? Was der Arbeitnehmer mit 100 € macht, hat den Arbeitgeber nichts anzugehen. Trifft aber der Arbeitgeber selbst die Verwendungsentscheidung und ist diese moralisch verwerflich, hat das dann nicht Auswirkung auf die Frage der betrieblichen Veranlassung?
Tatsächlich gibt es im EStG eine Vorschrift, die man heranziehen könnte: Nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 dürfen Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern, wenn sie „die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.“ Der BFH hat in einer Entscheidung vom 16. 2. 1990 (III R 21/86, DB 1990 S. 1445) Aufwendungen eines Unternehmers für Geschäftsfreunde, bei denen der Besuch von Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben im Vordergrund stand, in Anwendung dieser Vorschrift nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Aufwendungen für Besuche von Bordellen und bordellähnlichen Betrieben seien – so der BFH – stets nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG zu beurteilen.
Die Entscheidung des BFH hat Kritik erfahren, weil das Steuerrecht, von speziell geregelten Ausnahmefällen abgesehen, nicht danach unterscheidet, ob die Einnahmen oder Ausgaben auf unmoralische oder gar verwerfliche Weise zustande gekommen sind. Der Begriff „unangemessen“ in § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG bezieht sich nicht auf die moralischen Aspekte der Ausgaben, sondern auf deren Höhe. Aber unabhängig davon betraf die Entscheidung Geschäftsfreundebewirtungen und nicht die Leistungsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Bei der Bewirtung von Geschäftsfreunden steht der Betriebsausgabe regelmäßig keine steuerpflichtige Einnahme beim Leistungsempfänger gegenüber. Beim Arbeitnehmer ist das anders. Übersteigen die zugewandten geldwerten Vorteile 44 € im Monat – und das wird beim kostenlosen Besuch der Sexpartys wohl der Fall sein – so sind sie als Bestandteil des Arbeitslohns zu versteuern. Von „Sexpartys auf Kosten des Steuerzahlers“ kann also keine Rede sein.