Erlassflut für Umstrukturierungsvorgänge

Anfang Mai hat die Finanzverwaltung gut fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (sog. SEStEG) in einem ersten öffentlichen Entwurf eines Umwandlungssteuererlasses zu Zweifelsfragen auf knapp 180 Seiten Stellung genommen. Nur drei Wochen später flatterten bei den Verbänden weitere 15 Seiten zu den Zweifelsfragen zur Überführung und Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG aus Sicht der Finanzverwaltung mit der Bitte um Stellungnahme ein. Betrachtet man die Zeitdauer, die die Finanzverwaltung für die Erstellung der obigen Entwürfe benötigt hat, und vergleicht diese mit der Kommentierungsfrist von sechs Wochen nach Veröffentlichung des jeweiligen Entwurfs, so erscheint es schon fragwürdig, warum die Finanzverwaltung nur diese extrem kurze Frist zur Stellungnahme eingeräumt hat. Schließlich galt es, gut 200 Seiten (!) zur steuerlichen Behandlung von Umstrukturierungsvorgängen zu würdigen.

Die Hoffnung, dass aufgrund der zeitlichen Abfolge der Erlass-Entwürfe eine intensive inhaltliche  Abstimmung zwischen beiden o.g. BMF-Schreiben durch Finanzverwaltung erfolgte, wurde enttäuscht. In beiden Schreiben fehlen u. a. Regelungen, in welchem Verhältnis die Vorschrift des § 6 Abs. 5 EStG zu den konkurrierenden Vorschriften der § 6 Abs. 3 EStG und § 24 UmwStG nach Auffassung der Finanzverwaltung stehen. Erstaunlich ist, dass die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der Überführung von Wirtschaftsgütern nach Auffassung der Finanzverwaltung in dem letzteren Entwurf eines BMF-Schreibens bedeuten soll, dass auch die sich in dem überführten Wirtschaftsgut zeitlich erst nach der Überführung gebildet stillen Reserven im Zeitpunkt der späteren Veräußerung des Wirtschaftsguts der Besteuerung unterliegen müssen. Ein besonderes Aufmerken verursacht dann der Verweis auf ein BMF-Schreiben (Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft), das noch nicht einmal im Entwurf vorliegt.

Im Übrigen gilt, dass die Finanzverwaltung versucht, verschärfende Voraussetzungen im Erlasswege einzuführen, für die es keine gesetzliche Grundlage in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG gibt, in dem sie fordert, dass eine steuerneutrale Übertragung eines Wirtschaftsgutes von dem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft steuerneutral nur möglich ist, sofern der Übertragende bereits im Übertragungszeitpunkt beteiligt ist. Für die unmittelbare Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften wird vorsorglich vor der Entscheidung des Großen Senates des BFH festgestellt, dass diese keinen Anwendungsfall von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG darstellt und folglich nicht zu Buchwerten möglich ist. Es erstaunt dann nicht mehr, dass sich die Finanzverwaltung auch in diesem Kontext – wie im Umwandlungssteuererlass-Entwurf – der Gesamtplanrechtsprechung (unzutreffend) bedienen möchte, um zu prüfen, ob eine mittelbare Übertragung nicht als missbräuchliche Gestaltung einzustufen ist.

Im Hinblick auf die Verletzung von Sperrfristen im Sinne von § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG unterlässt die Finanzverwaltung die Klarstellung, dass eine Überführung im Sinne von § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG kein schädliches Ereignis darstellt. Für die sog. Körperschaftsklausel des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG stellt sie lediglich fest, dass auch Umwandlungsvorgänge nach §§ 20, 25 UmwStG schädliche Vorgänge sein können, ohne die schädlichen Vorgänge exakt zu konkretisieren. Unklar bleibt weiterhin, wie die sog. Körperschaftsklausel anzuwenden ist, sofern sich die Beteiligungsverhältnisse an einer Mitunternehmerschaft innerhalb des Gesellschafterkreises verändern.

Wie schon im Umwandlungssteuererlass-Entwurf (Tz. 27.16) stellt die Finanzverwaltung auch in diesem Entwurf eines BMF-Schreibens in der letzten Textziffer lapidar fest, dass die von ihr dargestellten Grundsätze für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden sind. Die Hoffnung, dass die Finanzverwaltung ihr “neues“ Verständnis nur auf zukünftige Sachverhalte anwenden wird, ist auch enttäuscht worden.

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