Goldrausch oder Stampede im Wilden Westen?

StB Dr. Pia Dorfmueller, Partner bei P+P Pöllath + Partners, Frankfurt/M.

Die US-amerikanischen FATCA-Regelungen wurden mit dem am 18. 3. 2010 verabschiedeten „Hiring Incentives to Restore Employment Act of 2010“ (kurz: HIRE Act) in §§ 1471-1474 Internal Revenue Code (IRC) eingeführt. FATCA ist grundsätzlich auf alle Zahlungen anwendbar, die nach dem 31. 12. 2012 geleistet werden.  Ziel ist die Sicherung des Steueraufkommens der USA durch weltweite Erfassung von US-Steuerpflichtigen (US-Persons). US-Person kann auch sein, wer in den USA weder Wohnort noch gewöhnlichen Aufenthalt hat, z. B. US-Staatsbürger, die nicht in den USA ansässig sind.

Die Grundregel: 30%iger Quellenabzug

Nach den FATCA-Vorschriften müssen ausländische Finanzinstitutionen (z. B. Banken, Vermögensverwalter, geschlossene Fonds, PE-Fonds, Venture Capital-Gesellschaften, UCITS, und Versicherungsgesellschaften), einschließlich der europäischen Finanzinstitutionen, mit US-Kunden und ausländische Nicht-Finanzinstitutionen mit substanziellen US-Anteilseignern der US-Steuerbehörde (IRS) Informationen zu US-Steuerzahlern übermitteln. Bei Nichterfüllung der Meldepflicht wird auf Einnahmen aus US-Quellen von Finanzdienstleistern, die nicht in den USA ansässig sind, ein Quellensteuerabzug von 30% vorgenommen.

Wer ist betroffen?

Nur wer die nachstehenden Fragen allesamt mit „nein“ beantworten kann, braucht sich um FATCA nicht zu kümmern:

  1. Bin ich eine Finanzinstitution/Finanzintermediär im weitesten Sinne?
  2. Erhalte ich Zahlungen aus den USA?
  3. Habe ich Kunden/Gesellschafter, bei denen es sich um US-Personen handelt?
  4. Habe ich Kunden/Gesellschafter, bei denen es sich um Gesellschaften handelt, deren Anteilseigner US-Personen sind?

Somit sind von FATCA nicht nur ausländische Rechtsgebilde betroffen, die im Rahmen des originären Bankgeschäfts oder bankähnlichen Geschäftes Einlagen entgegennehmen oder Finanzanlagen für Rechnung anderer halten oder deren wesentliche Tätigkeit in der Anlage, Wiederanlage oder Handel mit Wertpapieren, Beteiligungen an Personengesellschaft oder anderen Anteilen (inklusive Derivate) besteht (sog. foreign financial institutions (FFIs)). Sondern auch nicht in den USA ansässige Unternehmen, die nicht selbst im Bank- oder Investmentgeschäft tätig sind, Wertpapieranlagen halten und an denen US-Personen als Anleger oder Gesellschafter beteiligt sind (z. B. GmbH, nicht-börsennotierte AG oder KG) (sog. non-financial foreign entities (NFFEs)).

Was unterliegt dem Steuerabzug?

Dem 30%igen Steuerabzug unterliegen ab dem 1. 1. 2013 fast alle Zahlungen (sog. withholdable payments) aus US-Quellen an FFIs und NFFEs, nämlich Zinsen, Dividenden, Mietzinsen, Erlöse (nicht Gewinne!) aus der Veräußerung von Aktien und anderen Wertpapieren und Derivate mit US-Basiswert. Wer z. B. US-Wertpapiere für 100 erworben hat und sie für 120 wieder veräußert, sieht sich mit einem Quellensteuerabzug von 36 (30% von 120) konfrontiert. Aus einem Gewinn vor (Quellen-)Steuern wird unter FATCA somit ganz schnell ein Verlustgeschäft.

Ausnahmen vom 30%igen Quellenabzug

Das FFI kann mit dem US-Finanzministerium (Department of the Treasury) ein sog. FFI agreement abschließen. Danach verpflichtet sich das FFI zahlreiche Melde- und Sorgfaltspflichten bezüglich sämtlichen Zahlungen an US-Personen zu erfüllen. Mit der Erfüllung der Melde- und Sorgfaltspflichten entfällt der FATCA-Quellensteuerabzug für die betroffenen Zahlungen an US-Personen sowie das Steuererstattungsverfahren bei Nicht-US-Personen durch Anwendung von DBA-Vergünstigungen bereits zum Zahlungszeitpunkt. Ein Muster des FFI-Vertrages soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Wenn einem FFI das FFI agreement und die damit verbundenen Melde- und Sorgfaltspflichten zu aufwendig erscheinen, kann es stattdessen den Nachweis führen, dass es selbst keine US-Accounts unterhält (deemed compliant).

Das kann sich jedoch auch als recht schwierig erweisen. Zum einen ist der Begriff des US-Accounts sehr weit und die US-Accounts müssen zunächst einmal identifiziert werden. Zum anderen lassen sich bestehende US-Accounts möglicherweise nicht so ohne Weiteren kündigen. Das NFFE kann dagegen die Quellensteuer nur durch Bestätigung, dass es keinen substanziellen US-Anteilseigner (zu mehr als 10% unmittelbar oder mittelbar) hat oder durch Identifizierung sämtlicher Gesellschafter (Name, Adresse und Steuernummer (TIN)) etwaiger substanziellen US-Anteilseigner) vermeiden.

Verstoß gegen DBA-USA?

Nach dem DBA-USA unterliegen Dividenden aus den USA an in Deutschland Ansässige einer 5%igen oder 15%igen Quellensteuer (Art. 10 Abs. 2). In Spezialfällen des Art. 10 Abs. 3 DBA-USA entfällt die Quellensteuer gänzlich. Zinszahlungen und Veräußerungsgewinne unterliegen nach Art. 11 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 5 DBA-USA nicht der Quellensteuer. Die FATCA-Regelungen sehen vor, dass der IRS die 30%ige Steuer auf den DBA-Satz begrenzen darf, falls ein ausländischer Finanzintermediär selbst Nutzungsberechtigter (sog. beneficial owner) i.S. des DBA ist. Wahlweise kann die zu viel einbehaltene Quellensteuer erstattet oder angerechnet werden.

Die Quellensteuerreduktion greift jeden Falls dann nicht, wenn kein beneficial owner im Sinne des DBA vorliegt. Veräußert z. B. ein deutscher Fonds Anteile an einer US-Kapitalgesellschaft, dann fällt nach FATCA eine 30%ige Quellensteuer an, obwohl nach Art. 13 Abs. 5 DBA-USA den USA kein Besteuerungsrecht zugewiesen wird. M. E. ist darin ein Verstoß gegen das DBA-USA (Treaty Override) zu sehen.

Handlungsoptionen

Entweder entscheidet man sich ab dem 1. 1. 2013 gegen den Abschluss des FII-Vertrages mit dem IRS, dann unterliegt man als non-participating foreign financial institution (NPFFI) dem vollen 30%igen Quellensteuerabzug, sodass der seitens der US-Regierung erhoffte Goldrausch, die leere Staatskasse wieder füllt. Oder aber man verabschiedet sich von US-Accounts, so dass man als deemed compliant FFI kassifiziert wird, also eine Stampede – Deinvestitionen in den USA durch Panik – ausgelöst wird.

Alternativ ist der Abschluss eines FFI-Vertrages denkbar, der erhebliche Compliance Kosten auslöst, da z. B. die Änderung der IT-Systeme der Unternehmen beträchtliche Kosten verursacht. In diesem Fall setzt jedenfalls nicht der erhoffte Goldrausch bei der US-Staatskasse ein. Die EU Kommission hat bereits am 6. 4. 2011 den Dialog mit den USA gesucht und verweist auf die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie, die derzeit erweitert wird, um Synergien zu nutzen sowie kosteneffektiv und unternehmensfreundlich zu sein. Ähnliche Diskussionen werden auf OECD-Ebene geführt (Treaty Relief and Compliance Enhancement (TRACE)).

Es bleibt abzuwarten, ob die USA die zahlreichen kritischen Anmerkungen in ihre für Ende des Jahres angekündigten Regulations zu FATCA aufnimmt und entgegen den bisherigen Notices konkrete Antworten und Beispiele liefert. Ansonsten wird im Wilden Westen wieder (zu)scharf geschossen.

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