Betriebswirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen werden häufig durch das Steuerrecht behindert. Nach § 8c KStG wird der Verlustvortrag anteilig gekappt, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% der Anteile wechseln und vollständig ausgeschlossen, wenn mehr als 50% auf einen anderen Inhaber übertragen werden. Die Rigidität und der substanzbesteuernde Charakter dieser Regelung forderten eine verfassungsrechtliche Überprüfung geradezu heraus. Aktuell wurde diese Frage in zwei Finanzgerichtsurteilen thematisiert.
In beiden Sachverhalten ging ein Verlustvortrag nach § 8c KStG unter und führte zu erheblichen Steuerzahlungen.
Während nach Auffassung des FG Hamburg der Verlustuntergang aufgrund eines schädlichen Beteiligungserwerbs gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG normierte Gebot der Leistungsfähigkeit verstößt, hatte das FG Sachsen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Wegfall des Verlustvortrags.
Der Gesetzgeber ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zwar grundsätzlich frei in der Ausgestaltung des Steuertatbestandes, wird dabei aber durch Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, leitet das BVerfG in ständiger Rechtsprechung zwei Leitlinien ab, an denen sich die Steuergesetzgebung messen lassen muss. Diese Grenzen sind zum einen das Prinzip der Leistungsfähigkeit und zum anderen das Gebot der Folgerichtigkeit.
Das Prinzip der Leistungsfähigkeit wird im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht durch das objektive Nettoprinzip konkretisiert. § 8c KStG verstößt durch Ausschluss des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips nach Ansicht des FG Hamburg gegen dieses Prinzip. Dagegen sieht das FG Sachsen in § 8c KStG eine Angleichung an die Rechtslage von natürlichen Personen sowie Mitunternehmerschaften, bei denen eine intersubjektive Übertragung von Verlustvorträgen nicht möglich ist. Außerdem will der Gesetzgeber, nach Ansicht des FG, die missbräuchliche Verwendung von Verlustvorträgen erschweren.
Die Übertragung zwischen verschiedenen natürlichen Personen bzw. Mitunternehmerschaften kann allerdings nicht verglichen werden mit dem Verlustvortrag einer Körperschaft. Es handelt sich nicht um eine Übertragung von Verlustvorträgen zwischen zwei unterschiedlichen Steuersubjekten. Steuersystematisch ist und bleibt es immer dieselbe Kapitalgesellschaft, erst § 8c KStG fingiert verschiedene Steuersubjekte. Überdies erwähnt der Gesetzgeber mit keiner Silbe das Wort Missbrauch, womit auch das zweite Argument des FG Sachsen obsolet wird.
Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangtatbestandes hat der Steuergesetzgeber die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Aufgrund der fehlenden Anknüpfung an die Steuersubjekteigenschaft von Kapitalgesellschaften (Trennungsprinzip!) in § 8c KStG, wird jedoch eine Sonderart der Besteuerung von Kapitalgesellschaften vorgegeben. Kapitalgesellschaften wird demnach eine systemfremde Teiltransparenz aufgezwungen. Es ergibt sich eine deutliche Schlechterstellung gegenüber Kapitalgesellschaften ohne Anteilseignerwechsel und damit eine Verletzung des Gebots der Folgerichtigkeit.
Der Untergang von Verlustvorträgen ist für die nicht am Beteiligungserwerb beteiligten Anteilseigner, eine fremdbestimmte Steuerwirkung. Obwohl der Untergang des Verlustvortrags auf den Wert des Anteils des Altgesellschafters durchschlagen kann, ist nach Ansicht des FG Sachsen die potentielle Wertminderung der Anteile legitim und verstößt nicht gegen das in Art. 14 GG garantierte Eigentumsrecht. Denn nach Ansicht des FG Sachsen handelt es sich bei Verlusten nicht um schutzwürdige Vermögenspositionen. Demgegenüber erläutert das FG Hamburg ausführlich auf 8 Seiten, warum § 8c KStG gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt. Auf die Entscheidung des BVerfG darf man gespannt sein.
(Ausführlich Kessler/Hinz, DB 2011 S. 1771–1774)