Der Umwandlungssteuererlass-Entwurf vom 2. 5. 2011 (UmwSt-Erlass-Entwurf) hat eine Vielzahl überraschender Verwaltungsansichten zur Auslegung des UmwStG nach SEStEG offenbart. Kritisch ist nicht zuletzt die verwaltungsseitige Behandlung der Abwärtsverschmelzung einer inländischen Mutter- auf ihre (inländische) Tochterkapitalgesellschaft zu beurteilen. Für die Anteile an der übernehmenden Tochtergesellschaft (Übernehmerinnen-Anteile) stellt sich hier die Frage nach dem Wertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Muttergesellschaft.
Steuerneutralität will die Finanzverwaltung zukünftig lediglich dann gewähren, wenn die Anteile an der Tochtergesellschaft auf Ebene der Anteilseigner der (bisherigen) Muttergesellschaft im Inland steuerverhaftet bleiben (vgl. Rdn. 11.19 UmwSt-Erlass-Entwurf). Konkret bedeutet dies, dass die stillen Reserven immer dann aufzudecken sind, wenn Steuerausländer mit Sitz in einem DBA-Staat die Beteiligung an der erlöschenden inländischen Muttergesellschaft halten. Denn in diesem Fall wird das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Übernehmerinnen-Anteile bei den hinter der (früheren) Muttergesellschaft stehenden Anteilseignern ausgeschlossen oder beschränkt (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Bei einer Auskehrung der Übernehmerinnen-Anteile an die Anteilseigner der erlöschenden Muttergesellschaft, sind die Übernehmerinnen-Anteile daher in der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft zwingend mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
Werden die Anteile an der inländischen Muttergesellschaft von DBA-Steuerausländern gehalten, scheidet ein downstream-merger daher in Zukunft als Umstrukturierungsalternative regelmäßig aus. Ein Buch- bzw. Zwischenwertansatz für die Übernehmerinnen-Anteile sollte indes nach Verwaltungsansicht bei einer Auskehrung an inländische Anteilseigner, an Anteilseigner in Nicht-DBA-Staaten oder an Anteilseigner mit Ansässigkeit in Staaten, die das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der veräußerten Gesellschaft zuweisen, möglich sein.
Dass die Auffassung der Finanzverwaltung – wonach auch die Übernehmerinnen-Anteile übergehende Wirtschaftsgüter i. S. des § 11 Abs. 2 S.1 UmwStG darstellen – bereits Gesetzeswortlaut und -systematik widerspricht, soll hier nicht näher besprochen werden. Klar dürfte aber auch sein, dass eine letztlich nach der Ansässigkeit der Gesellschafter der übertragenden Muttergesellschaft differenzierende Rechtsauslegung Gefahr läuft, nicht nur gegen europarechtlich verbürgte Grundfreiheiten, sondern auch gegen abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote zu verstoßen. Vor dem Hintergrund der jüngsten und den DBA-rechtlichen Diskriminierungsschutz sehr ernst nehmenden BFH-Rechtsprechung, sollte die Finanzverwaltung eigentlich gewarnt sein.
So untersagt Art. 24 Abs. 5 OECD-MA eine steuerliche Schlechterstellung der Unternehmen eines Vertragsstaates aufgrund der Ansässigkeit der an dem Unternehmen beteiligten Personen im anderen Vertragsstaat. Inhaltlich verbietet der Diskriminierungsschutz eine andere oder belastendere Besteuerung von inländischen Unternehmen mit ausländischen Beteiligten im Vergleich zu der Besteuerung der einen gleichartigen Besteuerungssachverhalt verwirklichenden inländischen Unternehmen mit inländischen Anteilseignern.
Die Regelung in Rdn. 11.19 UmwSt-Erlass-Entwurf differenziert in ihrer tatbestandlichen Ausgestaltung zwar nicht nach der Ansässigkeit der Anteilseigner der Überträgerin, sondern lediglich danach, ob durch die Anteilsauskehrung das deutsche Besteuerungsrecht an den Übernehmerinnen-Anteilen eingeschränkt wird oder nicht. Im Ergebnis führt dies jedoch dazu, dass insbesondere diejenigen inländischen Überträgerinnen, deren Anteilseignerkreis in dem anderen Vertragsstaat ansässige Personen umfasst, gegenüber übertragenden Körperschaften mit insoweit im Inland ansässigen Anteilseignern steuerlich benachteiligt werden.
Conclusio: Besteht zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat des jeweiligen Anteilseigners der übertragenden Muttergesellschaft ein DBA mit entsprechend ausgestaltetem Diskriminierungsverbot für Unternehmensbeteiligungen, ist die Auffassung der Finanzverwaltung zur Behandlung der Übernehmerinnen-Anteile im Zuge eines downstream-merger auch und gerade abkommensrechtlich nicht haltbar.