Immobilienbesitzer galten noch Mitte des Jahres 2008 als die großen Verlierer der Erbschaftsteuerreform 2009. Nach dem vorliegenden Entwurf der neuen Erbschaftsteuerrichtlinien könnten zumindest Besitzer großer Immobilienvermögen zu den Gewinnern der Erbschaftsteuerreform gehören.Immobilienbesitzer wurden durch die Erbschaftsteuerreform in zweifacher Weise belastet. Neben einem deutlichen Anstieg der steuerlichen Wertansätze für Immobilien durch die Änderungen im Bewertungsgesetz sieht das neue ErbStG vor, dass die bisherige Inanspruchnahme der Begünstigung für Betriebsvermögen bei fremdvermieteten Immobilien, die zu einem Betriebsvermögen gehören, grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Fremdvermietete Immobilien zählen nämlich zu den Vermögensgegenständen des begünstigungsschädlichen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ErbStG). Um in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Begünstigung zu gelangen, darf der Anteil des Verwaltungsvermögens am gesamten Betriebsvermögen maximal 50% betragen.
Die daraufhin massiv einsetzende Kritik und die Warnungen der Immobilienwirtschaft („Ausverkauf der mittelständischen Immobilienwirtschaft“; „Verschlechterung der sozialen Bedingungen des Wohnungsmarkts“) haben den Gesetzgeber letztlich dazu bewogen, eine Rückausnahme für zu Wohnzwecken vermietete Immobilien in das Gesetz aufzunehmen. Danach zählen fremdvermietete Immobilien, die zum Betriebsvermögen oder gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören, nicht zum Verwaltungsvermögen, wenn
- der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Abs. 9 BewG (Vermietung zu Wohnzwecken) besteht, und
- dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert.
Sind diese beiden Voraussetzungen für die sog. Wohnungsgesellschaft erfüllt, kann das Immobilienvermögen, das von einer GmbH & Co. KG oder von einer GmbH gehalten wird, bei Einhaltung der Behaltensregeln des § 13a ErbStG erbschaftsteuerfrei übertragen werden.
Bereits der Bericht des Finanzausschusses zur Erbschaftsteuerreform enthielt die Feststellung, dass der Hauptzweck des Betriebs entsprechend dem Verhältnis der Summe der Grundbesitzwerte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke zur Summe der Grundbesitzwerte aller vermieteten Grundstücke zu ermitteln ist (so auch die Finanzverwaltung im Anwendungserlass zum neuen ErbStG). Umstritten blieb jedoch, wie das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfüllt werden könnte.
Die herrschende Meinung ging entsprechend der Rechtsprechung zu § 14 AO zunächst davon aus, dass die Wohnungsgesellschaft neben der Immobilienvermietung Zusatzdienstleistungen (wie z. B. Sicherheitsdienst, Maklertätigkeiten, Reinigungsleistungen) zu erbringen hat, um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu begründen. Auf Basis einer Erläuterung im Bericht des Finanzausschusses wurde demgegenüber auch vertreten, dass entgegen der ausdrücklichen Verweisung auf § 14 AO kein wirtschaftlicher sondern nur ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb (§ 1 Abs. 2 HGB) erforderlich sei. Für letztere Auffassung spricht der Umstand, dass die Rückausnahme leer liefe, wenn stets eine originär gewerbliche Tätigkeit erforderlich wäre. Denn in diesem Fall stünde die Vermietungstätigkeit im Zusammenhang mit einem Bündel an Leistungen, das die Verwaltungsvermögenseigenschaft per se ausschließen würde.
Der Anwendungserlass enthielt zu dieser Auslegungsfrage – im Gegensatz zu Zwischenentwürfen des Erlasses – keine Angaben. Dies soll sich nun in den neuen ErbSt-Richtlinien ändern. Folgende Indizien sollen danach für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sprechen:
- der Umfang der Geschäfte,
- das Unterhalten eines Büros,
- die Buchführung zur Gewinnermittlung,
- die umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung der Geschäfte,
- die Bewerbung der Tätigkeit,
- das Anbieten der Dienstleistung/der Produkte einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber.
Es handelt sich dabei insbesondere um Kriterien, die für die Prüfung eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs maßgeblich sind. Obwohl der Entwurf der Richtlinie durchgehend den Begriff „wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“ verwendet, spricht angesichts der vorstehenden Aufzählung Vieles dafür, dass die Finanzverwaltung einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb als ausreichend ansieht.
In der Literatur und Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2 HGB wird dem Umfang der Geschäfte (Umsatz) eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Jedenfalls ab einer Umsatzgröße von 500.000 € soll danach ein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb außer Zweifel stehen. Auch der Entwurf der Richtlinie scheint dem Umsatz eine maßgebliche Bedeutung beizumessen. Wenn das Wohnungsunternehmen über mehr als 300 Wohnungen verfügt, soll regelmäßig ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegen. Hier wird deutlich, dass die Finanzverwaltung die „Latte“ im Vergleich zur herrschenden Auffassung im Handelsrecht deutlich höher legen möchte.
Sind die Umsatzgrenzen bzw. die erforderliche Anzahl von Wohnungen erreicht, ist es nach dem Entwurf der Richtlinie unerheblich, ob das Wohnungsunternehmen den Geschäftsbetrieb selbst durch eigene Angestellte abwickelt oder ob die Vermietung und Verwaltung der eigenen Wohnungen
- im Rahmen einer Betriebsaufspaltung durch das Betriebsunternehmen erfolgt,
- durch ein Unternehmen erfolgt, an dem das Unternehmen, in dessen Eigentum sich die Immobilien befinden, beteiligt ist oder
- einem externen Dienstleistungsunternehmen übertragen wurde.
Die neue Richtlinie ist grundsätzlich zu begrüßen. Denn sie stellt klar, dass keine zusätzlichen Leistungen neben der originären Vermietungstätigkeit erbracht werden müssen, um in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Begünstigung zu gelangen. Hierdurch wird die erbschaftsteuerfreie Übertragung von Immobilien deutlich erleichtert. Vollumfängliche Rechtssicherheit wird hierdurch jedoch auch nicht erreicht werden, da die Kasuistik der Begriffe des „in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs“ und des „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“ durchaus ähnlich uneinheitlich sind.
Gewinner der neuen Regelung könnten gewerbliche Fonds von Wohnungsimmobilien sein. Auch Immobiliengroßvermögen können nun einfacher als früher steuerfrei übertragen werden. Einzige Voraussetzung ist die Bündelung des Immobilienvermögens in einer GmbH & Co. KG oder einer GmbH. Eine entsprechende Strukturierung scheint daher weiterhin empfehlenswert. Die im Entwurf der Richtlinie aufgestellte Grenze von 300 Wohnungen ist aus Sicht der Finanzverwaltung verständlich, wenn es darum geht, die Anzahl der begünstigten Übertragungen zu minimieren. Fragwürdig ist jedoch insofern, dass nur Großvermögen von der Regelung profitieren. Verlierer sind – wie auch in anderen Teilen des ErbStG – mittlere Vermögen zwischen 5 und 10 Mio. €. Beim BFH liegen derzeit mehrere Verfahren zur Verfassungswidrigkeit des ErbStG vor. Die Abhängigkeit einer erbschaftsteuerfreien Übertragung von der Größe des Immobilienvermögens scheint ein weiterer Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zu sein. Denn diese Abhängigkeit widerspricht diametral der Grundaussage des ErbStG, wonach grundsätzlich derjenige mehr Steuer zu zahlen hat, der mehr Vermögen erwirbt.