Der Erbe, der nicht deklariertes Vermögen oder unversteuerte Vermögenserträge im Nachlass findet, muss unverzüglich die Finanzbehörden hierüber informieren, um das eigene Abgleiten in eine möglicherweise dauerhafte Steuerunehrlichkeit zu vermeiden. Das damit bestehende Risiko der Begehung einer Steuerstraftat durch den Erben wurde durch die Reform der Regelung der strafbefreienden Selbstanzeige noch einmal deutlich verschärft. Nicht erst der Ankauf von sog. Steuer-CDs mit den Daten möglicher Steuerhinterzieher hat das Auffinden von steuerkontaminiertem Vermögen (insbesondere nicht deklarierte ausländische Bankkonten und Immobilien) im Nachlass zu einem echten Risiko für Erben werden lassen. Auch der Abschluss von Informationsabkommen zwischen Deutschland und Steuer-Oasen wie Monaco, Jersey oder Liechtenstein sowie der seit dem Jahr 2006 mögliche europaweite Kontenabruf haben die Aufgriffswahrscheinlichkeit deutlich erhöht.
Häufig ist Erben über die Vermögensangelegenheiten des Erblassers nur wenig bekannt. Insbesondere von solchen Vermögensgegenständen, die der Erblasser bei der Finanzverwaltung verschwiegen hat, werden Erben in aller Regel erst nach dem Erbfall erfahren. Für die Erben stellt sich sodann die Frage, ob sie ihre erworbene Kenntnis mit der Finanzverwaltung teilen sollen.
Die Versuchung ist groß, keine Angaben zu machen. In erster Linie ist dies dem Aufwand und den Kosten geschuldet, die mit diesen Angaben verbunden sind. Hierzu zählt zunächst der Aufwand für die Aufarbeitung des Sachverhalts. Häufig werden Unterlagen darüber fehlen, aus welchen Quellen (ggf. Schenkung) das nicht deklarierte Vermögen stammt. Ferner sind Unterlagen über die nicht versteuerten Erträge zu beschaffen. Dies kann bei ausländischen Banken und Immobilien durchaus relevante Kosten und einen erheblichen Zeitaufwand auslösen. Neben den hinterzogenen Steuern sind zudem Hinterziehungszinsen (6% p.a.) zu zahlen. Stellt sich heraus, dass der Erblasser das Vermögen schenkweise oder ebenfalls per Erbfolge erworben hat und es nicht der Erbschaftsteuer unterlag, kann die Steuerlast deutlich über 50% betragen. Auch die Sorge um das Ansehen des Erblassers spielt zum Teil eine große Rolle. Denn letztlich wird der Erbe damit einen nahen Angehörigen (nachträglich) einer Steuerhinterziehung bezichtigen.
Trotz dieser „Unannehmlichkeiten“ muss sich der Erbe bewusst sein, dass vielfach nur unmittelbar nach Kenntniserlangung die Möglichkeit besteht, die Begehung eigener Straftaten zu vermeiden. Denn der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die originären Steuererklärungspflichten des Erblassers ein (§§ 149, 153 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Erbe ist demnach verpflichtet, die Steuererklärungen des Erblassers – soweit noch nicht erfolgt – zu erstellen und abzugeben sowie dessen bisherige Erklärungen ggf. zu berichtigen, soweit noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Dieser Pflicht muss der Erbe unverzüglich – ohne schuldhaftes Zögern – nachkommen, wenn er positive Kenntnis von den Versäumnissen des Erblassers erlangt. Angesichts der Vielzahl der zu beschaffenden Unterlagen wird man eine Frist von zwei bis vier Wochen noch nicht als schuldhaftes Zögern ansehen können.
Zwar lässt sich mit guten Argumenten vertreten, dass die Verletzung der Berichtigungspflicht durch den Erben lediglich eine Perpetuierung des bereits eingetretenen Verkürzungserfolges darstellt und daher mangels Kausalität keine eigenständige Steuerverkürzung durch den Erben verwirklicht wird. Die h. M. sieht das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung jedoch nicht in der reinen Verkürzung, sondern in der Nichtfestsetzung eines bestimmten Steuerbetrags. Dieser Erfolg könne durch eine vorsätzlich unterlassene Berichtigung und den dadurch ausbleibenden Berichtigungsbescheid nochmals herbeigeführt werden. Der Erbe muss daher bei positiver Kenntnis der Steuerhinterziehung des Erblassers und schuldhaftem Zögern bei der Berichtigung von Erklärungen oder der Anzeige von Vermögen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Unstreitig ist zudem, dass ein Unterlassen der Anzeige des Erwerbs durch den Erben zumindest im Hinblick auf die Erbschaftsteuer und die zukünftige Einkommensteuer auf die Erträge des nicht deklarierten Vermögens eine eigenständige Steuerstraftat des Erben darstellt. Nach der Reform der Selbstanzeige kann dies zu schwerwiegenden Folgen führen.
Denn eine strafbefreiende Selbstanzeige ist nach neuer Gesetzlage nur noch möglich, wenn der Finanzverwaltung vollständige Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart gemacht werden. Wird in einer späteren Betriebsprüfung eine nicht erklärte Betriebseinnahme aufgefunden, kann der Steuerpflichtige – entgegen der bisherigen Regelung – nicht nur für den nicht erklärten Betrag strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Auch für die bereits „bezahlte“ Steuerhinterziehung kann der Steuerpflichtige dann noch bestraft werden.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen ist, wenn die hinterzogene Steuer (bezogen auf die einzelne Tat) mehr als 50.000 € beträgt (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO). Diese Neuregelung ist insbesondere für Erben relevant. Denn die Erbschaftsteuer wird als Substanzsteuer in der Regel deutlich höher ausfallen als die Einkommensteuer. In einer Vielzahl von Fällen wird den Erben damit der Weg über die „normale“ Selbstanzeige abgeschnitten. Nur wenn der Steuerpflichtige in diesen Fällen zusammen mit der hinterzogenen Steuer und den Hinterziehungszinsen einen weiteren Geldbetrag in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt, wird von einer Verfolgung der Steuerhinterziehung abgesehen (§ 398a AO). Selbst wenn die strengen Anforderungen (Vollständigkeit der Angaben / Zahlung von Steuern, Zinsen und Zuschlag) eingehalten werden, kommt der Erbe um einen justizinternen Einstellungsvermerk über die Verfolgung wegen einer Steuerstraftat nicht herum. Ein solcher Eintrag hat zwar keine unmittelbaren Folgen, kann aber bei einer zukünftigen Entscheidung über eine erneute Verfahrenseinstellung berücksichtigt werden oder die Strafzumessung in einem anderweitigen späteren Strafverfahren nachteilig beeinflussen (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB).
Nur für Vermögen in der Schweiz gilt zukünftig ggf. eine weitergehende Amnestieregelung durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt vom 22. 9. 2011. Unversteuerte Vermögenswerte deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz sollen danach pauschal mit einem Steuersatz von 19 bis 34% auf das Kapital nachversteuert werden; zukünftige Erträge sollen einer anonymen Abgeltungssteuer zu – derzeit – 26,375% einschließlich Solidaritätszuschlag unterliegen. Ob das Abkommen allerdings ist Kraft tritt, ist derzeit angesichts des von der Opposition angekündigten Widerstands im deutschen Bundesrat noch äußerst ungewiss.
Mit Rücksicht auf die für Selbstanzeigen nach dem 28. 4. 2011 geltende Neuregelung muss jedem Erben dringend zu einer Anzeige von bisher nicht deklariertem Vermögen nach §§ 149, 153 AO geraten werden. Denn während der Steuerpflichtige bei einer Selbstanzeige „nur einen Schuss hat“, kann die Berichtigung und Abgabe von Erklärungen nach §§ 149, 153 Abs. 1 Satz 2 AO im Dialog und in Abstimmung mit der Finanzverwaltung erfolgen, wobei – anders als bei der Selbstanzeige – auch Nachbesserungen möglich sind. Daher sind die mit dem Erbfall verbundenen steuerlichen Pflichten des Erben weniger als Last sondern mehr als Chance zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu betrachten.