Treaty and Directive Shopping: Einschränkungen bei der Entlastung von Quellensteuern

StB Prof. Dr. Dieter Endres, Leiter der Steuerabteilung und Vorstand der PwC AG, Frankfurt/M.

Die Ausgestaltung der Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 50 d Abs. 3 EStG ist maßgeblich dafür, ob sich ausländische Steuerpflichtige auf Quellensteuerreduktionen, die Doppelbesteuerungsabkommen oder die Mutter-Tochter- bzw. Zins-Lizenz-Richtlinie der EU vorsehen, berufen können. Die Vorschrift hat die Bekämpfung von treaty shopping und directive shopping zum Ziel. Aufgrund des Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland bzgl. des Verstoßes des bisherigen § 50d Abs. 3 EStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und gegen die genannten Richtlinien wurde Deutschland zur Änderung der Norm aufgefordert. Dieser Aufforderung ist Deutschland durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz nachgekommen. Das Gesetz ist am 1. 1. 2012 in Kraft getreten. Nach § 52 Abs. 1 EStG ist die Änderung des § 50 d Abs. 3 EStG auf Zahlungen, die ab dem 1. 1. 2012 geleistet werden, anzuwenden.

Nach der Neuregelung entfällt die bisherige pauschale Versagung der Quellensteuerentlastungsberechtigung, wenn die die Entlastung beanspruchende ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10% ihrer Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt. Die Erstattungsansprüche  ausländischer Gesellschaften werden beschränkt, soweit weder eine persönliche noch eine sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt, d. h. 

  • soweit Personen an der Gesellschaft beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und
  • soweit keine im Sinne von § 50 d Abs. 3 EStG unschädlichen Erträge vorliegen.

Soweit hinsichtlich der nicht entlastungsberechtigten Gesellschafter Erträge aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit vorliegen bzw. für nicht aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit stammende Erträge wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen und die Gesellschaft über einen für den Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt, sollten keine schädlichen Erträge vorliegen. 

Inhaltlich bestehen aufgrund des nicht eindeutigen Wortlautes der neugefassten Norm etliche Zweifelsfragen bei der Auslegung. Dennoch wird man davon ausgehen können, dass bei den im vorangehenden Abschnitt genannten unschädlichen Erträgen letztlich kein Missbrauch angenommen und die volle im Doppelbesteuerungsabkommen oder der Richtlinie vorgesehene Entlastung gewährt wird. Die Neuregelung kann aber in vielen Fällen zur Steuerverschärfung führen, v.a. in Fällen, in denen die quellensteuerbelasteten Erträge nicht zur eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft zählen und die ausländische Gesellschaft bisher durch Überschreiten der 10%-Grenze in voller Höhe die Entlastung von der Quellensteuer beanspruchen konnte. Künftig scheint das Gesetz nach seiner amtlichen Begründung in solchen Fällen nur noch eine anteilige Entlastung zu gewähren (sog. Aufteilungsklausel). Es bleibt abzuwarten, wie die Verwaltung dies bei mehrstufigen Beteiligungsketten anwenden wird. 

Es ist zu erwarten, dass das BMF in naher Zukunft ein Anwendungsschreiben zur Neuversion des § 50d Abs. 3 EStG veröffentlichen wird. Für Unternehmen und Berater gilt es jedenfalls, eventuelle eingetretene Änderungen, seien es Verschärfungen oder Erleichterungen durch erstmalige Erstattungsberücksichtigung, zu analysieren und ggf. Schritte zur Verhinderung des Eingreifens von § 50d Abs. 3 EStG vorzuschlagen. Vorsicht ist auch bei bestehenden Freistellungsbescheinigungen und verbindlichen Auskünften angezeigt. Zwar behalten Freistellungsbescheinigungen weiterhin ihre Gültigkeit, sie stellen aber keine Entscheidung über die sachliche Steuerpflicht dar.  Unterbleibt entgegen der materiellen Rechtslage der Einbehalt der Quellensteuer, kann jedenfalls der Gläubiger der quellensteuerbelasteten Erträge als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden. Die Bindungswirkung erteilter verbindlicher Auskünfte entfällt (§ 2 Abs. 2 StAuskV).

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