Neue Hürde bei der Sanierung von Kapitalgesellschaften

RA/FAStR/StB Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU), Partner bei Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Bei der Strukturierung einer Maßnahme zur (Teil-)Sanierung einer Kapitalgesellschaft bzw. eines Kapitalgesellschaftskonzerns ist die Steuerneutralität der jeweiligen Transaktion erfahrungsgemäß Voraussetzung für ihre Umsetzung. Führt die Transaktion z. B. zur Entstehung von Ertrag-, Grunderwerb- oder Umsatzsteuer wird von einer Umsetzung in der Regel abgesehen. Auf Grund steuerlicher „Ausnahmeregelungen“ ist das Überwinden steuerlicher Sanierungshürden zwar möglich (z. B. Nutzung des Sanierungserlasses). Eine praktische Anwendung dieser Regelungen ist in der Transaktionspraxis jedoch stets mit komplexen Fragen behaftet, zur Stabilisierung einer Transaktion werden regelmäßig verbindliche Auskünfte eingeholt.

Der neue § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG

Eine neue Hürde bei der Sanierung von Kapitalgesellschaften besteht seit dem 14. 12. 2011 durch das am 13. 12. 2011 verkündete Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BeitrRLUmsG) hat der Gesetzgeber u.a. das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) um einen neuen § 7 Abs. 8 ErbStG ergänzt. Die Vorschrift findet auf Transaktionen Anwendung, für die die Steuer nach dem 13. 12. 2011 entsteht (§ 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG). In Satz 1 der neuen Vorschrift ist bestimmt, dass als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gilt, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Mit dieser Regelung reagiert der Gesetzgeber auf die – für Steuerpflichtige günstige – Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu überproportionalen verdeckten Einlagen in Kapitalgesellschaften.

Nach Auffassung des Gerichts ist eine überproportionale verdeckte Einlage eines Gesellschafters in eine Kapitalgesellschaft, die zu einer Werterhöhung des Anteils eines Mitgesellschafters führt, keine (steuerbare) Schenkung. Sind Vater (Beteiligung 10%) und Sohn (Beteiligung 90%) an einer GmbH beteiligt, ist eine verdeckte Einlage des Vaters in Höhe von 100 € (Folge: Werterhöhung der Beteiligung des Sohnes in Höhe von EUR 90) – anders als eine echte Geldschenkung vom Vater an den Sohn – keine Schenkung (z. B. BFH-Urteil vom 9. 12. 2009, II R 28/08, BStBl. II 2010 S. 566 = DB0350649, ). Nach dem neuen § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt die verdeckte Einlage im Beispiel nunmehr in Höhe von 90 € als Schenkung vom Vater an den Sohn. Die Nutzung des „Steuersparmodells“ (vgl. BT-Drucks. 17/6263, Begründung zu Art. 11) führt in Zukunft also zu einer Besteuerung.

Sanierungsmaßnahme soll nicht durch § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfasst sein

Unter Gerechtigkeitserwägungen ist die Gesetzesergänzung nachvollziehbar. Problematisch ist allerdings der weite Tatbestand der neuen Vorschrift. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG könnte eine Sanierungsmaßnahme eines Gesellschafters (z. B. 10-Prozent-Beteiligung) in Form einer verdeckten Einlage (z. B. Forderungsverzicht, befreiende Schuldübernahme) Schenkungsteuer mit Blick auf eine (zumindest rechnerische) Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter (z. B. 90-Prozent-Beteiligung) auslösen. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein, vom Gesetzgeber scheint es auch nicht gewollt zu sein.

Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine überproportionale Einlage nicht zwischen fremden Dritten erfolgt. Unter fremden Dritten würden überproportionale Einlagen allenfalls mit gesellschaftsvertraglichen Zusatzabreden vorgenommen, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass seine überproportionale Einlage nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zu Gunsten der Mitgesellschafter führt; der Gesetzgeber nennt als Beispiel Sanierungsfälle (BT-Drucks. 17/6263, Begründung zu Art. 11). Eine gesellschaftsvertragliche Zusatzabrede dürfte z.B. im Fall eines Forderungsverzichts gegen Besserungsschein vorliegen.

Darüber hinaus hebt der Finanzausschusses in seinem Bericht hervor, dass wenn einer Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen – z.B. zur Abwendung einer Schieflage – von einem Gesellschafter eine Leistung gewährt werde, dies nicht als eine Bereicherung eines Mitgesellschafters im Sinne der Neuregelung gelte. Ausgeschlossen werden sollten lediglich echte Missbrauchsfälle. Beobachtet werden müsse die Gefahr der Erfassung von Sanierungsfällen (BT-Drucks. 17/7525, Seite 8). Aus Beratersicht ist zwar bedauerlich, dass der Gesetzgeber die Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nur „außergesetzlich“ klarstellt. Erfreulich ist jedoch die Deutlichkeit, mit der er den Gesetzeszweck hervorhebt. Es dürfte klar sein, dass die Vorschrift teleologisch zu reduzieren ist. Eine Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG durch Verwaltung und Gerichte dürfte auf den Missbrauchs- bzw. Umgehungsfall beschränkt sein.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG als schenkungsteuerliche Vorschrift im Beratungsfall „verfahrenstechnische“ Probleme bereiten kann. Um bei der Durchführung einer Sanierungsmaßnahme (Steuer-)Rechtssicherheit zu erlangen, dürfte auch mit Blick auf § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG das vorherige Einholen einer verbindlichen Auskunft erforderlich sein. Da Steuerschuldner einer (potenziellen) Schenkung nicht nur der Zuwendende i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sein dürfte, sondern alle Gesellschafter der Gesellschaft (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), müssen – zur Erlangung umfänglicher Rechtssicherheit – im Einzelfall zahlreiche Auskünfte bei verschiedenen Finanzämtern eingeholt werden. Eine verfahrensrechtliche Konzentration auf ein einziges ErbSt-Finanzamt ist zwar möglich (§ 27 Satz 1 AO), bei Schenkung- und Erbschaftsteuer-Fragen allerdings erfahrungsgemäß problembehaftet. 

Geplanter Anwendungserlass der Finanzverwaltung

Dem Vernehmen nach wird sich die Finanzverwaltung in Form eines Erlasses u. a. zur Anwendung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG äußern. Es bleibt zu hoffen, dass die Verwaltung – mit Blick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers – Sanierungsmaßnahmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausnimmt. Die Leistung eines Gesellschafters i. S. des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG darf nur dann tatbestandsmäßig sein, wenn der Zuwendende aus Freigebigkeit handelt (so bereits der Vorschlag des IDW für eine gesetzliche Ergänzung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, vgl. Stellungnahme des IDW vom 19. 9. 2011 zum BeitrRLUmsG, Ziffer 1.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verständnis des Gesetzgebers, unter fremden Dritten würden überproportionale Einlagen allenfalls mit „gesellschaftsvertraglichen Zusatzabreden“ vorgenommen, unzutreffend ist. In der Praxis erfolgen Sanierungsmaßnahmen häufig auch dann, wenn dem sanierenden Gesellschafter z. B. keine Besserungsleistung gewährt wird. Regelmäßig handelt der sanierungswillige Gesellschafter auch in diesem Fall nicht mit dem Ziel, andere Gesellschafter zu bereichern. Für die Annahme einer Schenkung ist kein Raum.

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