Nicht nur politische Diskussionen um eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Überlegungen zur Einschränkung der umfassenden Verschonungsregeln für Betriebsvermögen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die mögliche Wiedereinführung einer Vermögensteuer im Falle eines Regierungswechsels im Jahre 2013, sondern auch die aktuelle Diskussion um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene veranlassen vermögende Privatpersonen, einen Wegzug in das Ausland aus steuerlichen Gründen in Erwägung zu ziehen.
Im internationalen Steuerwettbewerb locken viele Staaten mit erheblichen Steuervergünstigungen. Teilweise werden bestimmte Steuern wie Einkommen- oder Erbschaftsteuern schlichtweg nicht erhoben, teilweise liegen die Steuersätze deutlich unter den inländischen. Die steuerlichen Vergünstigungsmöglichkeiten sind hierbei vielschichtig; sie reichen von einer vollständigen Freistellung ausländischer Einkünfte, die nicht in das Inland transferiert werden (z. B. Großbritannien), über individuell aushandelbare pauschale Einkommensteuern (z. B. Schweiz) bis hin zur vollständigen Nichtbesteuerung von Einkünften (sog. „Offshore-Jurisdiktionen“) oder von Erbschaften und Schenkungen (z. B. Österreich).
So attraktiv diese steuerlichen Rahmenbedingungen für den Steuerpflichtigen wirken mögen, so schwierig ist es in der Praxis, den Wegzugsfall einer Privatperson auf tatsächlicher Ebene auch steuerlich erfolgreich umzusetzen. Zahlreiche Steuergesetze gilt es zu beachten und miteinander zu koordinieren. Neben der steuerlichen Rechtsordnung des Zuzugsstaates, der deutschen Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG und der Hinzurechnungsbesteuerung bei Verlegung des Wohnsitzes in ein so genanntes Niedrigsteuerland sind im Rahmen der Wegzugsanalyse die Wirkungen einschlägiger DBAs in die steuerlichen Gestaltungsüberlegungen einzubeziehen.
Selbst die sorgfältigste Planung des Wegzugs unter Einbeziehung aller (steuer-) rechtlichen Erwägungen wird indes torpediert, wenn der Steuerpflichtige – bewusst oder unbewusst – steuerliche Anknüpfungspunkte in Deutschland behält, mithin weiter als unbeschränkt Steuerpflichtiger mit seinem Welteinkommen der deutschen Steuerpflicht unterliegt. Elementare Voraussetzung für eine steuerlich wirksame Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland ist die Aufgabe des Wohnsitzes (vgl. § 8 AO) bzw. gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. § 9 AO). Nicht nur prominente Persönlichkeiten wie Boris Becker und jüngst Nadja Auermann haben bewiesen, dass es sich bei der Verlegung des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts nicht nur um eine „Dokumentationsfrage“ handelt, sondern die steuerlichen Anknüpfungspunkte tatsächlich in die gewünschte Jurisdiktion verlegt und nachgewiesen werden müssen. Anderenfalls können dem Steuerpflichtigen unter Umständen erhebliche strafrechtliche Konsequenzen in Form von Geld- und sogar Haftstrafen drohen.
Doch nicht nur die strafrechtlichen Folgen sollten den Steuerpflichtigen zu einem „gelebten“ Wegzug aus Deutschland veranlassen, sondern auch die weit reichenden Ermittlungskompetenzen der Steuerfahndungsbehörden zur Bestimmung der Steuerpflicht des Wegziehenden. Welche Unannehmlichkeiten hiermit einhergehen können, hat zuletzt der Steuerfall „Auermann“ eindrucksvoll bewiesen. Im Laufe der Ermittlung gegen Auermann sollen 25 Wohnungen durchsucht und Zeugen aus allen Lebensbereichen Auermanns befragt worden sein – vom Arzt ihrer Kinder über Bauarbeiter bis zum Steuerberater. Außerdem soll mit Hilfe von Flugdaten, Telefonrechnungen und anderen Daten ein Bewegungsprofil von Auermann erstellt worden sein. Schließlich sollen viele persönliche Dokumente, wie Tagebücher, Fotos ihrer Kinder oder Videoaufnahmen von Auermanns mittlerweile verstorbener Mutter gesammelt worden sein.
Vor diesem Hintergrund sollten Steuerpflichtige ihre Entscheidung zum Wegzug aus Deutschland aus rein steuerlichen Gründen hinterfragen. Die Motivation, Steuern zu sparen und die durch den Wegzug bedingten tiefgreifenden Veränderungen der familiären Lebensverhältnisse müssen gegeneinander abgewogen und einer vernünftigen Entscheidung zugeführt werden. In Einzelfällen kann der Wegzug eine Lösung darstellen, regelmäßig lassen sich steuerliche Begünstigungen aber auch unter Anwendung des deutschen Steuerrechts bei fachkundiger Beratung erreichen.