Mit Kabinettsbeschluss vom 14. 12. 2011 hat die Bundesregierung beschlossen, das steuerliche Reisekostenrecht zu vereinfachen. Dies wird von der Wirtschaft seit Jahren gefordert. Im Mittelpunkt steht dabei das Ziel, den hohen Aufwand bei der komplizierten Reisekostenabrechnung im lohnsteuerlichen Massenverfahren zu begrenzen. Ursache ist vor allem die Festlegung und Bestimmung der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ eines Arbeitnehmers. Nach einer grundlegenden Änderung der Rechtsprechung des BFH (Urteile v. 9. 6. 2011 – VI R 58/09 (DB0427445), VI R 36/10 (DB0427447) und VI R 55/10 (DB0427444)) zeigen die Bemühungen der Wirtschaft erste Erfolge: Auch die Finanzverwaltung hat sich zu neuen Maßstäben ab 2012 bekannt (BMF-Schreiben vom 15. 12. 2011).
Mit dem nun bestehenden Einvernehmen, dass ein Arbeitnehmer maximal eine oder auch keine regelmäßige Arbeitsstätte in seinem Dienstverhältnis haben kann, fallen für die lohnsteuerliche Praxis komplizierte Abgrenzungs- und Nachweispflichten weg. Praktische Folgen ergeben sich für den Werbungskostenabzug: Eine Begrenzung des Abzugs von Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale erfolgt nur im Hinblick auf die eine regelmäßige Arbeitsstätte, für alle weiteren Tätigkeitsstätten ist künftig ein Ansatz der tatsächlichen Fahrtkosten möglich (unbegrenzter Werbungskostenabzug).
Verbesserung gegenüber den bisherigen Grundsätzen bringen grundsätzlich auch die neuen Maßstäbe zur konkreten Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte. Insbesondere die untaugliche „46-Tage-Regelung“ ist damit endlich beseitigt. Mit dem nun vorrangigen Weisungsrecht des Arbeitgebers (dienstrechtliche/arbeitsvertragliche Zuordnung) hinsichtlich der Festlegung der regelmäßigen Arbeitsstätte ist den Arbeitgebern ein flexibles Instrument an die Hand gegeben worden. Bei anderen Kriterien wie dem zeitlichen Umfang oder den Inhalten einer Tätigkeit besteht allerdings die Befürchtung, dass hierdurch Streitpotential und Nachweispflichten erhalten bleiben. Im Übrigen verbleiben einige Zweifelsfragen bei Anwendung der neuen Regelungen.
Die aktuelle Chance auf eine gesetzliche Lösung sollte genutzt werden, die vom BFH angestoßene Vereinfachung über die kurzfristig umgesetzten Maßstäbe der Finanzverwaltung hinaus konsequent umzusetzen. Rechtssicherheit für das lohnsteuerliche Massenverfahren kann nur geschaffen werden, wenn Arbeitgeber nicht auf die – im Bundesgebiet häufig stark differenzierende – Auffassung des einzelnen Lohnsteueraußenprüfers angewiesen sind, sondern die wesentlichen Grundsätze gesetzlich festgeschrieben sind.
Vorschläge für eine gesetzliche Definition der regelmäßigen Arbeitsstätte und praxistaugliche Kriterien hat die Wirtschaft wiederholt vorgelegt. Die Politik sollte den Mut haben, bei einer gesetzlichen Regelung der regelmäßigen Arbeitsstätte statt vordergründiger fiskalischer Interessen eine für die Praxis durchgreifende Vereinfachung zu schaffen. Dann besteht die Chance, den „Zick-Zack-Kurs“ bei der regelmäßigen Arbeitsstätte zu beenden und verlässliche Regelungen mit langfristigem Bestand zu erhalten.