Im August 2011 vereinbarten Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy, bei der Steuerpolitik enger zusammenzuarbeiten. Konkret mit dem Ziel, die Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlagen und die Körperschaftsteuersätze beider Länder anzugleichen. Die zu diesem Zweck gegründete deutsch-französische Arbeitsgruppe hat aktuell erste Vorschläge zu möglichen Konvergenzpunkten in einem sog. Grünbuch vorgelegt. Das Grünbuch diskutiert insgesamt sechs Konvergenzfelder, wobei aus deutscher Sicht die gravierendsten Änderungsvorschläge bei der Organschaft und bei der Besteuerung von Dividenden zu finden sind. Das Grünbuch beinhaltet aber noch keine detaillierten Regelungen.
Die sechs Konvergenzfelder im Einzelnen:
1) Steuersätze
Der Körperschaftsteuersatz in Frankreich ist mit 33⅓ % derzeit höher als der deutsche Körperschaftsteuersatz von 15 %. Auch bei Berücksichtigung der Gewerbesteuer ergibt sich in Frankreich eine höhere Belastung. Während der deutsche Steuersatz unverändert bleiben soll, wird auf französischer Seite eine Steuersatzsenkung erwogen. Ziel ist, eine vergleichbare Steuerbelastung in den beiden Staaten zu erreichen. Im Grünbuch wird deutlich gemacht, dass eine Absenkung des französischen Körperschaftsteuersatzes mit einer verbreiterten Bemessungsgrundlage verbunden sein müsste.
2) Organschaft
Die Gruppenbesteuerungsregelungen sind in Deutschland und Frankreich derzeit konzeptionell unterschiedlich. Daher erscheint gemäß Grünbuch eine vollständige Angleichung der beiden Regelungskonzepte kurzfristig nicht umsetzbar. Auf französischer Seite sollen die Gruppenbesteuerungsregelungen nicht geändert werden. Es sollen vielmehr die Entwicklungen im Rahmen der GKKB-Richtlinie abgewartet werden. Auf deutscher Seite wird in Betracht gezogen, mit dem Gewinnabführungsvertrag (GAV) und der Mindestbeteiligungsquote zwei zentrale Tatbestandsmerkmale der Organschaft zu ändern.
Als erster Schritt der Konvergenz könnte der nach den deutschen Regelungen erforderliche GAV abgeschafft oder geändert werden. Allerdings wird im Grünbuch bereits darauf hingewiesen, dass neue Restriktionen mit der Abschaffung des GAV verbunden sein könnten. Explizit werden die Deckelung der Verlustverrechnung auf den Buchwert der Beteiligung an der Gruppengesellschaft und als Alternative die Zahlung von Gruppenbeiträgen benannt. Zudem wird als weitere Konvergenzmaßnahme eine Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote des Organträgers an der Organgesellschaft erwogen. In der Diskussion stehen Quoten zwischen 75% und 95%.
Der Wegfall des GAV als notwendige Voraussetzung für die Organschaft bildet eine gute Basis für eine international wettbewerbsfähige Gruppenbesteuerung in Deutschland. Dem Konvergenzgedanken folgend sollte dem Zurechnungskonzept der Vorrang vor dem Beitragsmodell eingeräumt werden.
3) Behandlung von Dividenden und bestimmten Aufwendungen
Bei der Dividendenbesteuerung erwägt Deutschland nach französischem Vorbild eine Mindestbeteiligungsquote für die Steuerbefreiung einzuführen. Betroffen ist die körperschaftsteuerliche Befreiung nach § 8b Abs. 1 KStG. Einen konkreten Wert für die Mindestbeteiligung gibt das Grünbuch aber nicht vor. In Frankreich sind als Voraussetzung für die Steuerbefreiung eine Mindestbeteiligungsquote von 5% und eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren vorgesehen. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung (§ 8b Abs. 2 KStG) steht im Gegensatz zur Dividendenbesteuerung nicht auf dem Prüfstand in Deutschland.
Bei der steuerlichen Behandlung von Zinsaufwendungen werden im Grünbuch ausschließlich Änderungen für Frankreich genannt. Diese Ansätze zielen vorwiegend auf eine stärkere Einschränkung der Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen ab.
4) Verlustabzug
In Frankreich sind bereits Änderungen beim Verlustvortrag und -rücktrag nach deutschem Vorbild vorgenommen worden. Neben der neuen Mindestbesteuerung wurde ein beschränkter Verlustrücktrag in Frankreich eingeführt. Der Höhe nach ist der Verlustrücktrag in Frankreich auf 1 Mio. € beschränkt (statt den in Deutschland nur zulässigen 511.500 €). Nunmehr ist aus deutscher Sicht vorstellbar, so das Grünbuch, Frankreich zu folgen und den zulässigen Verlustrücktrag zu erhöhen. Zudem könnte das Wahlrecht des Steuerpflichtigen wegfallen, in welcher Höhe der Verlustrücktrag erfolgen soll. Auf französischer Seite soll eine Überarbeitung der Regelungen zum Verlustuntergang geprüft werden.
5) Abschreibungen
Bei den Abschreibungen sieht das Grünbuch für Deutschland keine Änderung vor. Auf französischer Seite könnten nach deutschem Vorbild die degressive Abschreibung abgeschafft werden. Zudem sollen Sonderabschreibungen auf den Prüfstand. Positiv für den Steuerpflichtigen: Abschreibungen auf den Geschäfts- oder Firmenwert könnten in Frankreich künftig zulässig sein.
6) Personengesellschaften
Die Besteuerung von Personengesellschaften in Deutschland soll nach dem Grünbuch nicht angepasst werden. Eine Änderung soll es jedoch geben: Die umstrittene Regelung des § 50d Abs. 10 EStG soll im Hinblick auf die BFH-Rechtsprechung, wonach die Regelung auf Grund fehlender Betriebsstättenzuordnung der Sondervergütungen weitgehend leerläuft, angepasst werden. Eine „Klarstellung“, wie das Grünbuch vorab feststellt.
Auf französischer Seite könnten die Änderungen weitreichender sein. Eventuell soll ein Reformvorschlag zur Besteuerung von Personengesellschaften aus 2010 wieder aufgegriffen werden. Dieser sah eine grundlegende systematische Überarbeitung der derzeitigen Regelungen für Personengesellschaften vor.
Nach dem Grünbuch sind in Bezug auf die Bereiche „Territorialität der Unternehmensbesteuerung“, „Rückstellungen“, „Ausgaben für Forschung und Entwicklung“ sowie „Besteuerung latenter Wertzuwächse bei der Verlagerung eines Vermögenswertes“ (Entstrickung) keine Konvergenzmaßnahmen notwendig oder sinnvoll.
Wie geht es weiter?
Eine komplette Angleichung der Regelungen zur Körperschaftsteuer wird durch dieses Grünbuch nicht erfolgen. Das war aber auch nicht zu erwarten. Die Vorschläge des Grünbuchs sind vielmehr als Grundlage für erste konkrete Konvergenzmaßnahmen zu sehen. Für die weitere Ausarbeitung und Umsetzung dieser Maßnahmen haben sich Deutschland und Frankreich einen ambitionierten Zeitplan gesetzt. Erste – gegebenenfalls schrittweise – Umsetzungsmaßnahmen sind bereits für das Jahr 2013 geplant.