Gelegentlich laufen Fortschritte der steuerrechtlichen Grundlagenforschung und rechtspolitische Entwicklungen unbemerkt aufeinander zu. Dann können sich aus vermeintlich akademischen Gedankenspielen unerwartete praktische Fragestellungen entwickeln.
Anfang Februar hat das BMJ den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB) veröffentlicht (vgl. Meldung unter DB0467277). Ziel des Entwurfs ist es, die anerkannte „transparente Besteuerung“ der Partnerschaftsgesellschaft, also deren ertragsteuerrechtliche Qualifikation als Mitunternehmerschaft, mit einer wirksamen Beschränkung der Außenhaftung dieser Gesellschaftsform zu verbinden. Die den freien Berufen vorbehaltene Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft erlaubt bisher nur eine Haftungskonzentration auf den handelnden Berufsträger. In teamorientiert arbeitenden Sozietäten bereitet die Abgrenzung dieser Handelndenhaftung große Schwierigkeiten. Dies soll mit ein Grund dafür sein, dass zahlreiche große RA-Kanzleien mittlerweile in der ausländischen Rechtsform der Limited Liability Partnership (LLP) firmieren, die die Steuerrechtspraxis als Mitunternehmerschaft anerkennt, die aber zugleich eine umfassendere Haftungsbeschränkung vorsieht. Dieser ausländischen Konkurrenz möchte das BMJ nunmehr eine deutsche Alternative entgegenstellen, die wie die LLP GewSt-Freiheit, steuerliche Transparenz und Haftungsbeschränkung verbindet. Dazu soll das PartGG durch einen § 8 Abs. 4 ergänzt werden:
„Für Verbindlichkeiten der Partnerschaft aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen, wenn
1. die Partnerschaft eine zu diesem Zweck durch Gesetz begründete Berufshaftpflichtversicherung unterhält (…)“.
Ulrich Palm ist in seiner noch unveröffentlichten Habilitationsschrift („Person im Ertragsteuerrecht“) der grundlegenden Frage nach der Rechtfertigung der prinzipiellen Ungleichbehandlung von PersGes. und KapGes. im Ertragsteuerrecht nachgegangen. Im jüngsten Heft der JuristenZeitung (JZ 2012 S. 297) zeichnet er eindrucksvoll einen dogmatischen Wandel im Privatrecht nach und entblättert die verbliebenen Strukturunterschiede zwischen PersGes. und juristischer Person. Legt man diesen Beitrag neben den Entwurf des BMJ zur Einführung der PartG mbB kommt man ins Grübeln. Genügen die gesellschaftsrechtlich zweifellos bestehenden Wesensunterschiede zwischen der rechtsfähigen und haftungsbeschränkten PartG mbB und der rechtsfähigen und haftungsbeschränkten GmbH aus steuerrechtlicher Perspektive, um sie einem gänzlich anderen Besteuerungsregime zu unterwerfen? Freilich, beschränkt man sich auf einen Rechtstypenvergleich auf der Grundlage der bisherigen Rspr. (vgl. BFH-Urteil vom 20. 8. 2008 – I R 34/08, DB 2008 S. 2457, zur US-LLC) und der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 19. 3. 2004, BStBl. I 2004 S. 411 = DB 2004 S. 901) dürften sich ausreichend Unterschiede zur mitgliedschaftlich verfassten GmbH und hinreichend Gemeinsamkeiten zur personalistisch strukturierten GbR begründen lassen, um die Zuordnung der PartG mbB zum Rechtstypus der PersGes. herzuleiten. Reflektiert man aber die Rechtsfolgen dieser Zuordnung im Steuerrecht und die historischen Rechtfertigungsgründe der KSt, kommen Zweifel an dieser Einordnung auf. Die Einführung der PartG mbB könnte damit einen erneuten Anstoß dafür liefern, die reichlich verwischte Grenzlinie zwischen dem persönlichen KSt-Tatbestand und der Mitunternehmerschaft (dazu jüngst grundlegend Ruben Martini, DStR 2012 S. 388) verfassungsrechtlich und rechtspolitisch zu hinterfragen. Das könnte dazu führen, dass diese Grenzlinie aufgegeben oder neu gezogen werden muss. Die PartG mbB als Agent Prococateur einer rechtsformneutralen Besteuerung? Vielleicht will das BMJ ja tatsächlich dem deformierenden Einfluss des Steuerrechts auf das Gesellschaftsrecht ein Ende bereiten. Die PartG mbB wäre dann, anders als Ulrich Noack (https://page.fachmedien.de/wordpress/rechtsboard/2012/02/20/auf-dem-weg-zur-partnerschaftsgesellschaft-mit-beschrankter-berufshaftung/) kritisch vermutet, ein positiver Beitrag für die Statik der Rechtsordnung.
(Zitiervorschlag: Anzinger, Steuerboard DB0471753)