Zur Steuerbarkeit von Erstattungszinsen

Steuernachforderungen und Steuererstattungsansprüche werden nach geltendem Recht verzinst (§ 233a AO). Die steuerliche Behandlung dieser Zinszahlungen ist umstritten und weist eine deutliche Schieflage zu Lasten des Stpfl. auf. Zahlt der Stpfl. wegen einer Steuernachzahlung Zinsen an das FA, so ist dieser Betrag nicht steuerlich abzugsfähig. Er teilt das Schicksal der Einkommen- und sonstigen Personensteuern (§ 12 Nr. 3 EStG). Erhält der Stpfl. Zinsen auf eine Steuererstattung, so könne dieser Betrag – wie der BFH in seiner Entscheidung vom 15. 6. 2010 – VIII R 33/07 (DB 2010 S. 1970) zutreffend argumentiert hat –  nicht steuerbar sein. Zinszahlungen – gleich in welcher Richtung – müssten steuerlich gleichbehandelt werden. Die gesetzgeberische Grundentscheidung strahle auch auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung solcher Steuern aus. Der Gesetzgeber hat diese konsequente Rspr. rückwirkend korrigiert und im JStG 2010 auch die in den Vorjahren zugeflossenen Erstattungszinsen der ESt unterworfen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG). Die Frage, ob diese rückwirkende Rspr.-Korrektur verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist unter den Finanzgerichten umstritten; sowohl das FG Münster (Beschluss vom 27. 10. 2011 – 2 V 913/11 E) als auch das FG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 27. 1. 2012 – 1 V 226/11) haben verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet.

Nun hat der BFH im Beschluss vom 15. 2. 2012 – I B 97/11 (DB 2012 S. 609) zum rechtlichen Schicksal der Steuererstattungszinsen bei KapGes. Stellung genommen. Die Steuerbarkeit von Erstattungszinsen ergebe sich aus der Grundannahme, dass KapGes. über keine „außerbetriebliche Sphäre“ verfügten. Folgerichtig seien Steuern und steuerliche Nebenleistungen der KapGes. grds. Betriebsausgaben, Steuererstattungen und Erstattungszinsen Betriebseinnahmen. Wenn der Gesetzgeber diese steuerliche Einordnung in § 10 Nr. 2 KStG für Steuern und steuerliche Nebenleistungen durchbreche, so durchbreche er das Nettoprinzip auf der Betriebsausgabenseite. Auf die Betriebseinnahmenseite schlage diese Durchbrechung aber nicht durch. Vielmehr bleibe es dabei, dass Steuererstattungen und Erstattungszinsen Betriebseinnahmen seien. Die Regelung in § 10 Nr. 2 KStG wirke sich also auf die „Kehrseite“ der Steuererstattungen nicht aus.

Ausdrücklich stellt der BFH fest, dass § 10 Nr. 2 KStG „als eine Sonderbestimmung zu verstehen ist, die rechtsbegründend die allgemeinen Regeln zur Einkommensermittlung nach § 8 KStG durchbricht.“ Ohne die Durchbrechung würde also der Grundsatz gelten, Nachzahlungszinsen sind Betriebsausgaben, Erstattungszinsen sind Betriebseinnahmen. Warum aber die Durchbrechung nur die Nachzahlungszinsen und nicht Erstattungszinsen erfasst, erläutert der BFH nicht. Er bleibt bei der simplen Feststellung, dass sich § 10 Nr. 2 KStG jedenfalls nicht ausdrücklich auf Erstattungszinsen beziehe und zu einer analogen Anwendung dieser Vorschrift kein Anlass bestehe. Denn zu einer rechtsformneutralen Ausgestaltung der Besteuerungsvorschriften sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, und einen allgemeinen Grundsatz, nach dem Rückzahlungen deshalb nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führen dürften, weil die zugrunde liegenden (zu erstattenden) Zahlungen vom Betriebs- oder Werbungskostenabzug ausgeschlossen seien, gebe es nicht.

Die Entscheidung erstaunt, da sie dem Gesetzgeber einen Freibrief ausstellt, ein selbst gesetztes Regelwerk zu durchbrechen. In der Vorschrift des § 233a AO bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er Nachzahlungen und Erstattungen den gleichen Zinsregeln unterwerfen will. Nun kann er bei der Besteuerung der Zinszahlungen dieses Regelwerk nicht willkürlich außer Acht lassen. Nicht nur die Entfaltung, auch die Durchbrechung einer gesetzgeberischer Grundentscheidung bedarf der „folgerichtigen Umsetzung“ (BVerfGE 126, 286, 280). Wenn der Gesetzgeber also das objektive Nettoprinzip durchbricht, so ist er nach der Rspr. des BVerfG an das aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Folgerichtigkeitsgebot gebunden. § 10 Nr. 2 KStG durchbricht für Nachzahlungszinsen den Grundsatz, dass betriebliche Aufwendungen abzugsfähig sein müssen. Das Gleiche muss aber dann auch gelten für gegenläufige Zahlungen, also für Erstattungszinsen. Ihre steuerliche Erfassung steht im Widerspruch zur Entscheidung des Gesetzgebers, das Nettoprinzip für Zinsen als steuerliche Nebenleistungen zu durchbrechen.

Das Folgerichtigkeitsgebot bindet den Gesetzgeber sowohl bei Regel- aus auch bei Ausnahmetatbeständen. Die Auffassung des BFH, der Gesetzgeber könnte eine Durchbrechung des Nettoprinzips so konzipieren, dass aus dem gleichen Rechtsgrund erfolgte Zahlungen einmal Betriebseinnahmen (Erstattungszinsen), zum andern aber keine Betriebsausgaben (Nachzahlungszinsen) sind, dürfte sich vor dem vom BVerfG geforderten folgerichtigen „Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands“ (BVerfGE 126, 400, 417) kaum halten lassen. Man kann es auch einfacher formulieren: Der Gesetzgeber, der zulasten des Stpfl. A sagt, muss bei vergleichbarer Sachverhaltskonstellation zugunsten des Stpfl. auch B sagen.

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