JStG 2013: Kapitalertragsteuerpflichtige Zahlungen mit Qualifikationskonflikt bis zur Verkündung des Gesetzes aufschieben?

RA/FAStR/StB Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU), Partner bei Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Unter Berücksichtigung des vorliegenden Referentenentwurfs zum JStG 2013 (Entwurf vom 5. 3. 2012, DB0468704) erscheint es im Einzelfall überlegenswert, eine geplante kapitalertragsteuerpflichtige Zahlung an einen im Ausland ansässigen Gläubiger, die mit einem Qualifikationskonflikt behaftet sein könnte (z. B. Gewinnausschüttung einer KapGes., Lizenz- oder Zinszahlung), erst nach Verkündung des Gesetzes vorzunehmen. Der Gesetzgeber beabsichtigt, einen Anspruch auf Erstattung von KapESt bei Vorliegen eines Qualifikationskonflikts gesetzlich zu regeln. Die Neuregelung soll allerdings erst für Zahlungen Anwendung finden, die nach Verkündung des JStG 2013 geleistet werden.

Anspruch auf (anteilige) Erstattung von einbehaltener KapESt nach DBA

KapESt ist z. B. im Rahmen einer Gewinnausschüttung (z. B. 100) einer KapGes. an ihren Gesellschafter (z. B. X) von der Gesellschaft einzubehalten und an das FA abzuführen (25%, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG; SolZ bleibt im Rahmen dieses Beitrags der Einfachheit halber unberücksichtigt). Die Gesellschaft überweist dem Gesellschafter die Nettodividende (z. B. 75) und stellt auf seinen Namen eine (KapESt‑)Steuerbescheinigung aus. Ist der Gesellschafter in einem Staat ansässig, mit dem Deutschland ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung  abgeschlossen hat (Ansässigkeitsstaat), ist das Recht Deutschlands (Quellenstaat) zur Besteuerung der Dividende regelmäßig der Höhe nach beschränkt (z. B. darf die Steuer 15% nicht übersteigen). Der Gesellschafter hat als Gläubiger (vgl. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG) und Nutzungsberechtigter der Dividende (vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b OECD-Musterabkommen) einen Anspruch auf Erstattung der „zu viel“ einbehaltenen KapESt (z. B. 10%). Der Anspruch ist durch den Gesellschafter beim BZSt unter Einschaltung der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaats geltend zu machen. Entsprechendes kann im Fall einer grenzüberschreitenden Lizenzzahlung gelten.

Erstattung von KapESt kann bei Vorliegen eines Qualifikationskonflikts problembehaftet sein

Die Erstattung (anteiliger) KapESt kann im skizzierten Beispiel problembehaftet sein, wenn nicht der Gesellschafter (z. B. X), sondern eine andere Person (z. B. Y) aus Sicht des Ansässigkeitsstaats Gläubiger bzw. Nutzungsberechtigter der Dividende ist. Nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaats hat möglicherweise die andere Person (z. B. Y) die Dividende zu versteuern. Ein „typischer“ Qualifikationskonflikt kann sich ergeben, wenn eine mit KapESt belastete Zahlung tatsächlich an eine ausländische PersGes. geleistet wird, Ansässigkeits- und Quellenstaat die Zahlung ertragsteuerlich jedoch unterschiedlichen Personen zuordnen (z. B. ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaats der Gesellschafter der PersGes. steuerlicher Empfänger, aus Sicht des Quellenstaats dagegen die PersGes.). Ein „untypischer“ Qualifikationskonflikt kann sich ergeben, wenn der im Ausland ansässige Gläubiger (z. B. Gesellschafter X) seinen Zahlungsanspruch (z. B. Dividendenanspruch) vor zivilrechtlicher Entstehung an eine andere Person (z. B. Y) abtritt. Nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaats ist die Zahlung möglicherweise vom Abtretungsempfänger (Y) zu versteuern (vgl. z. B. schwedisches Steuerrecht).

In den skizzierten Fällen ist fraglich, wem – aus deutscher Sicht – ein Anspruch auf Erstattung von KapESt zusteht. Dem Gläubiger (z. B. X) steht nach dem Wortlaut des Abkommens möglicherweise kein Anspruch zu (z. B. ist Nutzungsberechtigter einer Dividende  i. S. des Art. 10 Abs. 2 i. V. mit Art. 43 Abs. 3 Satz 1 DBA Schweden die Person, die die Dividende nach schwedischem Steuerrecht zu versteuern hat, hier z. B. Y), die andere Person ist nach deutschem nationalen Recht nicht zur Erstattung berechtigt (z. B. ist Y aus deutscher Sicht nicht Gläubiger der Dividende i. S. des § 50d Abs. 1 EStG). Zumindest die typischen Qualifikationskonflikte sind bereits gegenwärtig Gegenstand einer Verwaltungsregelung (BMF-Schreiben vom 16. 4. 2010, DB0350421, Tz. 2.1.2 regelt die Vereinnahmung einer Zahlung durch eine PersGes.).

Ergänzung von § 50d Abs. 1 EStG-Entwurf durch JStG 2013

Der Gesetzgeber beabsichtigt, das skizzierte Problem in Form einer Ergänzung von § 50d Abs. 1 EStG zu regeln (redaktionell dürfte es sich um einen neuen Satz 13 handeln, nicht – wie im Entwurf wohl vorgesehen – um einen neuen Satz 11). Nach meinem Verständnis soll bei Vorliegen eines Qualifikationskonflikts aus deutscher Sicht diejenige Person Inhaber des Anspruchs auf Erstattung von KapESt sein, der die mit KapESt belastete Zahlung nach dem nationalen Steuerrecht des Ansässigkeitsstaats zugerechnet wird (z. B. Y; vgl. auch die Stellungnahme der BStBK zum Entwurf des JStG 2013 vom 30. 3. 2012, S. 3, verfügbar auf der Homepage der BStBK). Die Regelung dürfte zwar den Grundsätzen des OECD-Musterkommentars entsprechen (Nr. 5 zu Art. 1 OECD-MK), die Anwendungsreichweite der Neuregelung ist aber nicht eindeutig (Sollen auch vorstehend skizzierte „untypische“ Qualifikationskonflikte geregelt werden?). Die Regelung soll erstmalig auf Zahlungen anwendbar sein, die nach Verkündung des JStG 2013 erfolgen (vgl. § 52 Abs. 59a Satz 7 EStG-Entwurf). Eine Zahlung z. B. im Mai 2012, die mit einem Qualifikationskonflikt behaftet ist, bleibt somit problematisch, da eine Verkündung des JStG 2013 erst gegen Ende des Jahres erfolgen dürfte. Im Einzelfall sollte aus meiner Sicht ein zeitliches Aufschieben einer mit einem Qualifikationskonflikt behafteten Zahlung in Betracht gezogen werden.

Hilfreich – und m. E. abkommensrechtlich geboten – wäre es, wenn der Gesetzgeber die geplante Neuregelung auf alle offenen (KapESt‑)Erstattungsverfahren rückwirkend anwenden würde. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber insoweit noch einmal „den Stift in die Hand nimmt“.

(Zitiervorschlag: von Freeden, Steuerboard DB0470769)

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