Der Rechtstypenvergleich – archaische Prinzipien im Zeitalter der Globalisierung

RA Ronald Buge, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Das deutsche Steuerrecht folgt – wie international üblich – dem sog. Welteinkommensprinzip, d. h. das weltweite Einkommen jedes deutschen Stpfl. unterliegt der deutschen ESt bzw. KSt. Unternehmen üben ihre internationalen Aktivitäten praktisch ausschließlich über ausländische Tochtergesellschaften aus. Hier stellt sich zunächst die – scheinbar banale – Frage, wie diese ausländischen Gesellschaften für deutsche Steuerzwecke einzustufen sind. Die gleiche Frage stellt sich, wenn ausländische Gesellschaften in Deutschland tätig werden.

Hier hat die Rspr. schon vor Jahrzehnten den sog. Rechtstypenvergleich entwickelt: Es ist anhand der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der betreffenden Gesellschaft zu prüfen, ob diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen PersGes. oder KapGes. vergleichbar ist.

In der Praxis hat sich der Rechtstypenvergleich durchaus bewährt. Die Limited des angelsächsischen Rechtskreises wird als KapGes., die limited partnership als Kommanditgesellschaft eingestuft. Eine französische S.à r.l. oder eine holländische B.V. sind einer GmbH, eine französische société anonyme (S.A.) oder eine holländische N.V. sind einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Bei den weitgehend namensgleichen Rechtsformen des österreichischen und des schweizerischen Rechts liegt die Einstufung auf der Hand. Die Finanzverwaltung hat zudem im Jahr 1999 eine recht umfangreiche – wenn auch nicht vollständige – Liste ausländischer Gesellschaften und der vergleichbaren inländischen Rechtsformen veröffentlicht.

Nichtsdestotrotz stößt das Institut des Rechtstypenvergleichs zunehmend an Grenzen, v. a. dadurch, dass international neue Gesellschaftsformen entwickelt werden. Beispielhaft sind hier die US-amerikanische limited liability company (LLC) oder die englische limited liability partnership (LLP) zu nennen. Das bisherige System beruhte weitgehend darauf, dass international überwiegend ähnliche Rechtsformen verwendet werden. Bei den neu entwickelten Gesellschaftsformen stößt dieses System v. a. deshalb an Grenzen, weil es keine vergleichbaren inländischen Rechtsformen gibt.

Die Finanzverwaltung hat deshalb bei diesen Gesellschaften einen neuen Weg eingeschlagen. Es erfolgt kein Vergleich mehr mit konkreten inländischen Rechtsformen (weil es diese nicht gibt), sondern es wird abstrakt gefragt, ob die betreffende Gesellschaft einer deutschen PersGes. oder KapGes. vergleichbar ist. Daneben gibt es aber noch einen weitaus gravierenderen Richtungswechsel: Dem Vergleich wird nicht mehr die ausländische Gesellschaft in ihrer gesetzestypischen Form (sog. Idealtypus) zugrunde gelegt, sondern die Einzelregelungen des Gesellschaftsvertrags (sog. Realtypus).

Das wirft aber eine Vielzahl von Folgeproblemen auf. Um nur zwei zu nennen:

–    Was sind eigentlich – abstrakt gesehen – die Unterschiede zwischen PersGes. und KapGes.? Hierauf hat die Finanzverwaltung eine scheinbar griffige Antwort gefunden und für die Einstufung einer US-amerikanischen LLC verbindlich in einem BMF-Schreiben veröffentlicht (BMF-Schreiben vom 19. 3. 2004, DB 2004 S. 901). In der Praxis stellt sich die Handhabung dieser Kriterien häufig schwierig dar. Und eine kleine Ironie der Geschichte: Diese Kriterien orientieren sich an dem sog. „corporate resemblance test“ des US-amerikanischen IRS. Nur hat der IRS diesen Test als unpraktikabel verworfen und statt dessen das sog. Check-the-Box-System eingeführt, und zwar ca. sechs Jahre bevor (!) das BMF-Schreiben zur LLC veröffentlicht wurde.

–    Zudem wirft die Anknüpfung an den sog. Realtypus Schwierigkeiten auf. Bei von Deutschen beherrschten ausländischen Gesellschaften mag dies ein interessantes Steuergestaltungsmittel sein. Ist dies nicht der Fall, erweist es sich hingegen als Zeitbombe: Werden bestimmte gesellschaftsvertragliche Regelungen geändert, kann dies zu einem ungewollten Wechsel der steuerlichen Einstufung mit ggf. gravierenden steuerlichen Folgen, z. B. einer Liquidationsbesteuerung, führen.

Schließlich führt der Rechtstypenvergleich – allerdings auch schon in seiner bisherigen Ausprägung – häufig zu Konflikten zwischen der Behandlung im Ausland und in Deutschland. Im ohnehin schon komplexen System des internationalen Steuerrechts eine weitere Verkomplizierung.

Was wäre eine Lösung? So schön und rechtsdogmatisch reizvoll der Rechtstypenvergleich auch sein mag, er sorgt in der Praxis für unnötige Probleme und damit Rechtsunsicherheit. Einfacher wäre es, zumindest in den Fällen, in denen ein DBA existiert, auch für deutsche steuerliche Zwecke an die Einstufung im Ausland anzuknüpfen. Damit können v. a. die – letztlich auch missbrauchsanfälligen – Qualifikationskonflikte vermieden werden, es gibt aber auch mehr Rechts- und Planungssicherheit bei grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit. Allerdings müsste der Gesetzgeber tätig werden, und es müssten wohl auch die existierenden DBAs angepasst werden. In Zeiten zunehmender internationaler Vernetzung sollte man aber durchaus diese Mühen auf sich nehmen. Und es wäre wohl in jedem Fall einmal ein echter Beitrag zur Steuervereinfachung.

(Zitiervorschlag: Buge, Steuerboard DB0474114)

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